Kampf gegen rechten Terror:Fahndung mit schlechtem Gewissen

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Mit immensem Aufwand versuchen Generalbundesanwalt und BKA Lücken in der Aufklärung des rechten Terrors zu schließen. Aus dem gewaltigen Fahndungsdruck spricht das schlechte Gewissen. Die Aufarbeitung kommt um Jahre zu spät und soll wiedergutmachen, was nicht wiedergutzumachen ist.

Wolfgang Janisch

Die Hilflosigkeit im Umgang mit der rechtsextremistischen Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" hat einen roten Rahmen. "Das Bundeskriminalamt bittet um Ihre Mithilfe", steht oben auf dem soeben präsentierten NSU-Fahndungsplakat, ebenfalls in Rot, darunter sind ein paar Fotos von Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe zu sehen. Das Wort "Fahndung" ist dort ebenfalls zu lesen, aber Mundlos ist tot, Böhnhardt ebenfalls, und Zschäpe sitzt im Gefängnis. Das BKA bittet um Hinweise, wer die drei - nur zum Beispiel - im vergangenen Jahrzehnt auf einem Campingplatz an der Ostsee gesehen hat, oder, wie sie auf einem Fahrrad die Straße hinunterradelten. Um die vielen Lücken in der Aufklärung der beispiellosen Mordserie zu schließen, auch, um weiterer Helfer habhaft zu werden.

Mit diesem Plakat (hier ein Ausschnitt) fahndet das Bundeskriminalamt nach mutmaßlichen Rechtsterroristen und ihren Helfern. (Foto: dapd)

Nun ist der Aufruf fraglos legitim. Die Morde der braunen Terroristen haben die Bevölkerung erschüttert. Und wirklich fassungslos macht der Umstand, dass die wahren Hintergründe den Ermittlern und Verfassungsschützern so lange verborgen bleiben konnten, in einer Zeit, in der nahezu jede islamistische oder linksradikale Regung schon weit im Vorfeld auf dem Radarschirm der Sicherheitsbehörden aufleuchtet. Deshalb ist es gut, dass Generalbundesanwalt und BKA mit großem Nachdruck ermitteln - auch, weil nicht auszuschließen ist, dass dem NSU am Ende noch weitere Verbrechen zuzuordnen sind.

Und doch hat der gewaltige Fahndungsdruck, der nun aufgebaut wird, etwas Irritierendes. 420 Kriminalbeamte sind im Einsatz, weitere hundert sollen hinzukommen. Nur um die Dimension zu verdeutlichen: Als im Sauerland eine islamistische Terrorgruppe Sprengstoffanschläge vorbereitete, kümmerten sich ein halbes Jahr lang 300 Beamte um die verdächtige Truppe - und das in einer brisanten Gefahrensituation. Bei den NSU-Ermittlungen dagegen wird ein ungeheurer Aufwand zur Durchleuchtung einer Terrorzelle betrieben, von der wohl keine akute Gefahr mehr ausgehen dürfte.

Wie gesagt: Man kann den Behörden keinen Vorwurf machen. Auf ihnen lastet der immense Druck der Politik und der Öffentlichkeit. Aber es lässt sich nicht übersehen, dass die Fahndung und Aufarbeitung deshalb mit so viel Wucht betrieben wird, weil sie um Jahre zu spät kommt. Aus dem Fahndungsdruck spricht das schlechte Gewissen - wenn nicht über eigene Fehler, dann über fatale Versäumnisse im Geflecht der Sicherheitsbehörden. Als wollte man mit riesigem Personaleinsatz wiedergutmachen, was nicht mehr gutzumachen ist.

Wenn die Wege des Mordtrios, die Identitäten ihrer Helfer und Hintermänner, ihre Querverbindungen zur NPD auf dem Tisch liegen: Dann muss sich eine zweite Aufklärungsoffensive anschließen - über Fehler von Ermittlern, über Strukturmängel in den Sicherheitsbehörden. Das sollten BKA und Bundesanwaltschaft im aktuellen Fahndungseifer nicht vergessen.

© SZ vom 02.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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