Das Bemühen um eine Entschärfung der Ukraine-Krise hat auf der Münchner Sicherheitskonferenz den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat in den Hintergrund rücken lassen. Zwar fehlte es nicht an Bekundungen der Entschlossenheit, den Dschihadisten mit allen Mitteln entgegenzutreten. Kanzlerin Angela Merkel etwa oder US-Außenminister John Kerry schworen die internationale Gemeinschaft auf einen langen Kampf gegen islamistische Terroristen ein. "Wir stehen in diesem Kampf Seite an Seite mit der ganz überragenden Mehrheit der Muslime Europas, die nichts gemeinsam haben mit Terrorismus", sagte Merkel. Und Kerry versprach, man werde den Terror mit jeder Faser bekämpfen. Es seien 22 Prozent der bevölkerten Gebiete in Irak und Syrien vom IS zurückerobert worden.Doch wurde auch deutlich, dass es zwischen den Staaten im Nahen Osten und dem Westen, aber auch in der Region durchaus unterschiedliche Sichtweisen gibt - dass gar in einigen Fragen aneinander vorbeigeredet wird.
Iraks Premierminister Haidar al-Abadi sprach vom Versuch seiner Regierung, das Misstrauen zwischen Schiiten und Sunniten zu überbrücken. Dazu gehört etwa die Gründung einer Nationalgarde. Zudem seien in der Provinz Anbar 4000 sunnitische Kämpfer gegen den IS im Einsatz. Exzesse schiitischer Milizen, die bei vielen Sunniten gefürchtet sind und ihnen die IS-Milizionäre als geringeres Übel erscheinen lassen, werde er nicht dulden, versprach Abadi. Er verwies aber darauf, dass die Ideologie, der die Dschihadisten folgten, "in manchen Ländern freitags in den Moscheen gepredigt werde" - eine kaum verhüllte Kritik an Saudi-Arabien und anderen Golfmonarchien, in denen eine extrem konservativen Auslegung des Islam Staatsreligion ist. Auf die Rolle seines Vorgängers Nuri al-Maliki, der jahrelang die Sunniten marginalisiert hat, ging er dagegen nicht ein.
Ägyptens Außenminister Sami Schukri warf dem Westen doppelte Standards vor: Man könne nicht an einem Ort "gegen Ebola kämpfen und an anderen Orten so tun, als habe man es nur mit einer gewöhnlichen Erkältung zu tun". Die Regierung in Kairo sieht sich zu Unrecht für das harte Vorgehen gegen die Muslimbruderschaft kritisiert. Sie beschuldigt die älteste Islamisten-Organisation der arabischen Welt, hinter der eskalierenden Gewalt in Ägypten zu stehen. Westliche Staaten dringen darauf, die Muslimbrüder in den politischen Prozess einzubeziehen. Sie warnen, die harte Repression trage nur zu einer weiteren Radikalisierung bei.
Als Gegenspieler Schukris zeigte sich Katars Außenminister Khalid Mohammed al-Attiyah. Er warnte, es werde keinen Erfolg im Kampf gegen IS geben, wenn man die tiefer liegenden Ursachen nicht bekämpfe. Er rechtfertigte die Unterstützung des Emirats für die Hamas im Gazastreifen. In den USA und der EU gilt dieser Ableger der Muslimbruderschaft als Terrororganisation; Ägypten hat den militärischen Arm verboten, die Kassam-Brigaden. Attiyah sagte, in Zeiten sozialer Medien könne man der Jugend keine Meinung mehr aufzwingen - deswegen stehe sein Land in Libyen auf Seiten jener, die die Revolution bewahren wollten. Unter diesen Gruppen befinden sich jedoch radikale Islamisten, die Ägypten, aber auch dem Westen als Terroristen gelten.
Die IS-Miliz ist nicht besiegt, sagt Massud Barzani
So blieb in München ein Konsens aus, wie mit militanten Islamisten umzugehen sei. Lediglich die Kurden und die irakische Regierung konnten mit neuen Hilfszusagen nach Hause fahren. Abadi bat Merkel darum, dass Deutschland Waffen an die Armee liefere. Die Kanzlerin habe ihm versprochen, dies zu prüfen. Allerdings nannte sie zunächst nur sogenannte nichttödliche Ausrüstung wie Nachtsichtgeräte oder Uniformen. Aus Regierungskreisen hieß es, denkbar sei, die Ausbildungsmission der Bundeswehr auf die Streitkräfte der Regierung auszudehnen.
Abadi traf in München auch erstmals Massud Barzani, den Präsidenten der kurdischen Regionalregierung, um das Vorgehen der Peschmerga und der Regierung abzustimmen. Barzani sagte, der Sieg der Kuden in Kobanê habe den "Mythos des Islamischen Staats" zerstört, doch sei die Miliz nicht besiegt. Selbst wenn es gelänge, sie aus dem Irak zu vertreiben, könne sie sich in Syrien neu gruppieren. Gut möglich also, dass das Thema die Sicherheitskonferenz auch 2016 beschäftigen wird.