Justiz:Rechter Richter

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Ist ein Richter befangen? Darüber entscheiden Kollegen. (Foto: Soeren Stache/dpa)

Ein sächsischer Richter polemisiert in der rechtsnationalen "Jungen Freiheit" über Migrationspolitik - und darf weiterhin über Asylverfahren entscheiden. Denn seine Kollegen finden, es sei nichts dabei.

Von Ronen Steinke, Berlin

Wenn ein Richter sich politisch zu Wort meldet, hat das oft ein besonderes Gewicht. Eine besondere Autorität, die mit der Robe einhergeht. So ein Gastautor, der unter einem Artikel in der rechtsnationalen Zeitung Junge Freiheit steht, ist ungewöhnlich und erregt Aufmerksamkeit: "Dr. Markus Scheffer ist Richter am Verwaltungsgericht Dresden." Umso beachtlicher, wie scharf der Gastautor dann vom Leder zieht.

Die Asylpolitik in Deutschland, so schreibt der Richter, der hauptberuflich für Asylverfahren zuständig ist, sei geprägt von "Merkels Staatsdoktrin der offenen Grenzen". Diese werde "wie zu Erichs Zeiten", also so wie in der DDR, den Untertanen propagandistisch eingeimpft. "Die Folgen unbegrenzter Masseneinwanderung für unsere Sozialsysteme, die innere Sicherheit und Ordnung sowie den Zusammenhalt der Gesellschaft scheinen" auch die sächsische Landesregierung "nicht zu interessieren", beklagt der Richter, der schon mehrere solcher Artikel in dem rechten Blatt veröffentlicht hat.

In Dresden hat sich jetzt eine Asyl-Anwältin beschwert. Erst jetzt, muss man eigentlich sagen, denn die zitierten Artikel reichen bereits zurück bis ins Jahr 2015. Unter der Überschrift "Glosse" hatte der Richter auch einmal zugespitzt: "Multikulti in seinem Lauf, hält weder Ochs noch Esel auf!" Aber das Verwaltungsgericht hat es jetzt abgelehnt, ihn für befangen zu erklären. Die Begründung: "Eine Überemotionalität oder gar ausländerfeindliche Gesinnung" sei nicht zu erkennen. So heißt es in einem Beschluss dreier Richterkollegen vom 24. Mai, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt.

Es sei auch kein Problem, heißt es in dem Beschluss weiter, dass Richter Scheffer im Jahr 2019 für die AfD einen Sitz im sächsischen Landeswahlausschuss wahrgenommen habe. Es gebe keine "objektiven Gründe", an seiner "Unparteilichkeit" zu zweifeln. Einen "Anschein der Befangenheit" gebe es nicht - offenbar selbst dann nicht, wenn er die Flüchtlingspolitik von heute mit den Methoden des DDR-Regimes vergleicht. Ob Richter Scheffer selbst ein Parteibuch der AfD hat, ist unbekannt.

So darf der Jurist in Sachsen weiter über Asylfälle entscheiden. Wieder einmal Sachsen: Erst im vergangenen Jahr war es dort um den Zivilrichter Jens Maier gegangen, der zwischenzeitlich für die AfD im Bundestag saß und zum äußerst rechten Rand gezählt hatte. Es dauerte lange, ihn loszuwerden. Wenn gegen einen Richter der Vorwurf der Befangenheit im Raum steht, dann entscheiden immer dessen eigene Kollegen am Gericht, und selten sind sie sehr streng. Aber immerhin: Das muss nicht das letzte Wort sein.

Das zeigt auch der Fall eines Asyl-Richters im hessischen Gießen. Auch er war mit radikalen Tönen aufgefallen. Die Aussage "Migration tötet" sei wahr, hatte er 2019 erklärt - und Europa mit dem niedergehenden römischen Reich verglichen, das angeblich an Migranten litt. Wie jetzt in Dresden fanden auch die Richterkollegen in Gießen zunächst, es sei nichts dabei. Aber das Bundesverfassungsgericht intervenierte 2021 und stellte klar: Den Befangenheitsantrag gegen ihren Kollegen hätten sie nicht ablehnen dürfen. Immerhin, jetzt bleibt der Richter Asylbewerbern erspart.

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