Junge Union:Sehnsucht nach "Mehr Sauerland"

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Trinken Bruderschaft: Friedrich Merz und Tilman Kuban, Bundesvorsitzender der Jungen Union. (Foto: dpa)
  • Mit ihrer Forderung nach einer Urwahl des nächsten Kanzlerkandidaten stellt sich die Junge Union gegen Annegret Kramp-Karrenbauer.
  • Beim Deutschlandtag jubeln die Delegierten Friedrich Merz und Jens Spahn zu, die vor "grün angestrichenem Sozialismus" warnen.
  • CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak fordert die Partei auf, sich ein Beispiel an Österreich und der ÖVP zu nehmen.

Von Philipp Bovermann, Saarbrücken

Das Sauerland halten manche Menschen für unterschätzt: trotz seiner Wassersportmöglichkeiten auf den fünf Stauseen, seiner Bock-, Rinder- und Pfefferwürste, seiner faszinierenden Tropfsteinhöhlen. All diese Dinge, die das Leben schöner machen, sind aber vermutlich nicht der Grund, warum "Mehr Sauerland für Deutschland" die bislang wohl zentrale Forderung auf dem Deutschlandtag der Jungen Union ist, der dieses Wochenende in Saarbrücken stattfindet.

Zu lesen war sie am Freitagabend auf Papiertransparenten, die Delegierte in die Luft hielten, als der gebürtige Sauerländer Friedrich Merz das Podium betrat - und dann nochmal, während der Saal ihn feierte und "Oh, wie ist das schön, sowas hat man lange nicht gesehen" sang, minutenlang.

Dabei war Merz eigentlich gar nicht vorgesehen auf diesem Deutschlandtag. Seine Einladung war wohl das Ergebnis einer Debatte, die der Unionsnachwuchs vor Beginn des Treffens angeschoben hatte: Über die Frage, wer bei der nächsten Bundestagswahl als Kanzlerkandidat antritt, soll nicht, wie es bislang in der CDU Praxis ist, die Parteivorsitzende entscheiden, sondern die Parteibasis. Eine sogenannte Urwahl also. Als entsprechende Anträge verschiedener JU-Landesverbände bekannt geworden waren, bekannte Annegret Kramp-Karrenbauer sich während ihrer Dienstreise in Riga, wohl nicht ganz überraschend, als "eine wirklich tiefe, überzeugte Verfechterin des repräsentativen Systems".

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Damit stellt sich der Parteinachwuchs gegen den Wunsch der CDU-Vorsitzenden Kramp-Karrenbauer. Friedrich Merz wird dagegen gefeiert.

Sehnsucht nach "Union pur" und "mehr ÖVP in der Union"

Der Jungen Union war das egal. Sie sprach sich auf dem Deutschlandtag mit 170 von 277 gültigen Stimmen für die Urwahl aus. Das waren rund 60 Prozent - eine klare Mehrheit, die sich gegen die Parteivorsitzende stellte. Und den plötzlich als Redner aus dem Hut gezauberten Friedrich Merz feierte. Als Konkurrent um den Parteivorsitz hatte Kramp-Karrenbauer ihn im vergangenen Dezember eigentlich ausgestochen, doch seitdem habe sie sich immer wieder ungeschickt geäußert, "Fehler gemacht", so nennt Merz es in seiner Rede, die noch vor der Abstimmung über die Urwahl stattfand. Aber, so gibt er konziliant zu, an ihrer Stelle wäre ihm das sicherlich auch passiert. "Nein!", brüllt jemand im Saal. "Doch, doch", beschwichtigte der Sauerländer.

Seine Rede bediente offenbar Sehnsüchte, wahlweise nach "Union pur" oder "mehr ÖVP in der Union", wie es anschließend verschiedene Delegierte im Gespräch formulierten. Merz wetterte etwa, wenn die Union im Streit um die Grundrente - die an sich schon ein Verrat am "beitragsfinanzierten und leistungsorientierten Rentensystem" und der jungen Generation sei - auch noch die Prüfung der Bedürftigkeit aufgebe, was käme dann als nächstes? Müsste man dann nicht auch eine Grundsicherung für Kinder einführen? Und "da die Sozialdemokraten großartig sind in der Erfindung von Gerechtigkeitslücken" wären ja dann diejenigen benachteiligt, die zwischen Älteren und Kindern liegen, woraufhin man folglich ein bedingungsloses Grundeinkommen einführen müsste. Dann seien "alle gleich und keiner stellt mehr irgendeine Frage". Noch ein Zugeständnis an die SPD, ein Kompromiss, so die Argumentation, schon befände man sich also auf direktem Wege in den Kommunismus. Der Saal johlte.

Merz bestätigte zwar zu Beginn seiner Rede, er stehe zu seiner "aus fester und tiefer Überzeugung" getroffenen Zusage an Kramp-Karrenbauer, sie als Parteivorsitzende zu unterstützen; zugleich sagte er im Hinblick auf die politischen Auseinandersetzungen, von denen er gesprochen hatte: "Wenn Sie wollen, dass ich dabei bin, dann bin ich dabei."

Ein dickes "Aber" beim Klimaschutz

Auch Kramp-Karrenbauers zweiter ehemaliger Widersacher um den Parteivorsitz, Jens Spahn, sprach auf dem Deutschlandtag - und zwar recht ausgiebig über sich und seine Erfolge als Bundesgesundheitsminister. Er warnte ebenfalls vor einem "grün angestrichenen Sozialismus" und sagte, Demokratie sei "kein Luxus, den man mal eben abschafft, wenn die Temperaturen steigen". Eigentlich steht der Klimaschutz als das inhaltliche Zentralthema über diesem Deutschlandtag, aber angesichts des durch die Urwahl-Debatte ausgebrochenen "Schaulaufens" - wie der aus dem Wahlkampf in Thüringen per Videobotschaft zugeschaltete Mike Mohring es nannte - überboten sich die Redner in der Dicke, mit er sie das "Aber" hinter der Forderung nach konsequentem Klimaschutz markierten.

Daran beteiligten sich auch der NRW-Ministerpräsident Armin Laschet und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, der allerdings einräumte, er sei vermutlich der einzige unter den Eingeladenen, der nicht Kanzlerkandidat werden möchte. Auch Markus Söder (CSU) wiegelte ab. Er habe lange dafür gekämpft und seinen Traumjob gefunden, sagte der bayerische Ministerpräsident, der davor warnte, sich nun ein Beispiel an der SPD zu nehmen. Die Sozialdemokraten seien in ihrer basisdemokratischen Suche nach einer neuen Parteispitze nur noch mit sich selbst beschäftigt. Auch CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak mahnte, sich ein Beispiel an Österreich zu nehmen. Ob man da schon mal gelesen habe, in der ÖVP wollten "die einen nach links, die anderen nach rechts, der nächste Parteitag wird spannend"?

Der nächste Parteitag der CDU wird nun jedenfalls spannend. Denn nach der erfolgreichen Abstimmung über den Antrag zur Urwahl wird die Junge Union ihn auch dort einbringen. Die Chancen sind zwar sehr gering, dass er auch dort Erfolg hat, aber für eine angeschlagene Parteivorsitzende kann es natürlich nicht gut sein, wenn der eigene Nachwuchs meutert. Deren Bundesvorsitzender Tilman Kuban sagte in seiner Rede: "Heute ist jeder dabei, der in Zukunft eine wichtige Rolle spielen wird. Ohne uns geht nichts in der Union!"

Kramp-Karrenbauer spricht erst am letzten Tag

Umgekehrt geht, gerade in der Union, aber ohne die Parteispitze natürlich auch nichts - mit umstürzlerischen Anträgen und Dingen wie Basisdemokratie, die eher aus dem politischen Repertoire junger Linker stammen, verbrennt man sich dort auch ganz schnell mal die Finger. Den Test, wie Annegret Kramp-Karrenbauer darauf reagiert, wird es am Sonntag geben. Dann hält die Parteivorsitzende ihre Rede auf dem Deutschlandtag. Fast ganz zum Schluss, was bei einigen Delegierten bereits für hämisches Schmunzeln gesorgt hat.

Ihr Widersacher Merz hingegen machte den Auftakt, durfte das Feld bereiten. Nach seiner Rede standen er und Tilman Kuban auf der Bühne, Merz drückte ihn an sich, der JU-Bundesvorsitzende ließ sich zwei Bier geben. "Wir danken Ihnen, dass Sie zurück sind auf der CDU-Bühne", sagte Kuban. Dann tranken die beiden Männer öffentlich Bruderschaft.

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