Jahrestag der Krim-Annexion:Russische Wahlfreiheit

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Wladimir Putin, 62, hatte nach eigenen Angaben handeln müssen, weil die meisten Krim-Bewohner den Anschluss an Russland gewollt hätten. (Foto: Michael Klimentyev/dpa)
  • Bald jährt sich die Annexion der Krim durch Russland.
  • Moskau will dies im ganzen Land ausschweifend feiern. Schüler sollen speziellen Unterricht zur Geschichte der Krim erhalten.
  • In einem Film für das russische Staatsfernsehen sagt Putin, dass er sich zu der Annexion der Krim veranlasst fühlte, weil die Menschen dort den Anschluss an Russland wollten.

Von Frank Nienhuysen, München

Russland stimmt seine Bevölkerung auf ein großes patriotisches Fest ein, und sogar ein japanischer Ex-Premier sorgt für gute Stimmung. Yukio Hatoyama war rechtzeitig vor dem Jahrestag der Krim-Annexion auf der Halbinsel, und er behauptet nun, dass das dortige Referendum vor einem Jahr demokratisch und verfassungsgemäß verlaufen sei. Die russischen Medien greifen diese Worte dankbar auf, denn sie klingen sehr viel freundlicher als die Sanktionen, die Japans jetzige Regierung wegen Russlands Rolle auf der Krim verhängt hat.

Eine ganze Woche werden in Moskau sowie von der fernöstlichen Insel Sachalin bis Simferopol auf der Krim die Ereignisse vor Jahresfrist gefeiert, die zum Zerwürfnis zwischen Russland, dem Westen und unter anderem eben auch Japan geführt haben. "Niemand wird daran vorbeikommen", ließ der Kreml wissen.

Zu dieser Einstimmung gehört auch der Film "Krim - Weg in die Heimat" von Andrej Kondraschow, der am nächsten Montagabend um 22.10 Uhr Moskauer Zeit im staatlichen russischen Fernsehsender Rossija 1 ausgestrahlt wird. Aufnahmen, die sich über acht Monate erstrecken, wurden dafür verwendet, fast 20 Schauplätze auf der Krim aufgesucht und mehr als 50 Interviews geführt, unter anderem mit Präsident Wladimir Putin. Es gehe darum, "für die Geschichte jede wichtige Episode der Ereignisse zu erhalten, die sich im vergangenen Jahr auf der Halbinsel zugetragen haben".

Eine erste, 55 Sekunden lange Sequenz daraus wurde bereits am Sonntagabend gezeigt; sie war so verkürzt, dass Putin allzu deutlich dastand als zwar entschlossener, aber auch skrupelloser Kremlchef, der schon am 23. Februar morgens um sieben klare Order gab, den Anschluss der ukrainischen Halbinsel an Russland anzugehen. "Wir sind gezwungen, die Arbeit an der Rückkehr der Krim in den Bestand Russlands zu beginnen", sagte er.

Putin fand, sie wollten es

Eine für Putin wichtige Einschränkung wurde dabei unterschlagen, weshalb nur einen Tag später eine ausführlichere Passage nachgeschoben wurde, diesmal mehr als fünf Minuten lang. Darin sagt der Präsident, dass "wir dieses Gebiet, auf dem die Leute wohnen (gemeint ist die Krim), nicht ihrem Schicksal und den Nationalisten überlassen dürfen". Ziel sei nicht die Aneignung der Krim gewesen, "und auch keine Annexion"; sondern den Menschen "die Möglichkeit zu geben auszudrücken, wie sie weiterleben wollen". Den Anschluss vorantreiben wolle er nur, "falls wir davon überzeugt sind, dass die Menschen, die auf der Krim leben, dies selber wollen." Und Putin fand, sie wollten es.

In einer "geheimen" Umfrage hätten sich 75 Prozent der Befragten für einen Anschluss der Krim an Russland ausgesprochen. Dabei sei den Befragten nicht bewusst gewesen, dass ein Anschluss eine realistische Option ist. Lächelnd formte Putin mit Daumen und Zeigefinger eine Spanne und sagte, "es war offensichtlich", dass sonst die Zahl derer, "die wollen, dass dieses historische Ereignis geschieht", noch "sehr viel höher" sein würde. Mit dem Ergebnis des Referendums fühlte sich Putin dann "verpflichtet zu handeln". Das ist Moskaus Sicht.

Die Europäische Union, die USA, insgesamt hundert Staaten in der Vollversammlung der Vereinten Nationen, sehen dies anders: als Bruch des Völkerrechts. Sogar Weißrusslands Staatschef Alexander Lukaschenko hielt die Annexion der ukrainischen Halbinsel durch Russland für falsch, wenngleich er Kiew dafür mitverantwortlich machte, dass es so kam.

Nichts aber deutete im vorigen Jahr auf eine Unterdrückung der Russen auf der Krim hin. Das Referendum wurde angesetzt von einem über Nacht installierten Regionalparlament, nachdem zuvor Bewaffnete das Gebäude besetzt hatten. Die Abstimmung, ohnehin von der ukrainischen Verfassung nicht gedeckt, wurde in wenigen Tagen durchgepeitscht und ließ die Möglichkeit überhaupt nicht zu, alles beim Status quo zu belassen. Und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), deren Mitglied Russland ist, wurde erst gar nicht zur Überwachung der hastigen Abstimmung hinzugebeten.

Bei den Feiern in Russland wird all dies keine Rolle spielen. Das Bildungsministerium empfahl, dass Schüler der ersten bis elften Klassen eigens Unterricht erhalten, in denen es um die Geschichte der Krim geht. Schwerpunkt ist natürlich die Spanne, die 1783 einsetzt, als die Krim an Russland ging - bis hin zu Moskaus Blick auf das vergangene Jahr.

© SZ vom 12.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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