Italien:Meloni sucht Rettungsringe

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Wie hier in Faenza sieht es nun in vielen Orten in der italienischen Region Emilia-Romagna aus. Wo das schlammige Wasser eindrang, ist alles ruiniert. (Foto: Michele Nucci/La Presse/AP)

Die italienische Regierung kratzt Geld zusammen, um den Opfern der Unwetter- und Flutkatastrophe in der Emilia-Romagna zu helfen - was nicht so einfach ist. Rom verspricht zunächst zwei Milliarden Euro.

Von Marc Beise, Rom

In der von den Folgen der katastrophalen Überschwemmungen der vergangenen Woche gezeichneten Region Emilia-Romagna geht das Aufräumen weiter, immer noch sind vor allem in den Bergen Orte auf dem Landweg nicht erreichbar, auch wenn das Wasser sich weiter zurückzieht. Die Arbeiten in der Ebene sind ein Wettlauf mit der Zeit, denn der Wetterumschwung von Regen zu Sonnenschein hat zwar die akute Überschwemmungsgefahr gebannt, der Schlamm in Häusern, Straßen und Städten droht aber, sich in der Sonne zu einer festen Masse zu formen, hart wie Zement.

In Rom schlägt jetzt die Stunde der Politiker, das Kabinett von Regierungschefin Giorgia Meloni hat am Dienstag getagt, anschließend traf sich die Ministerpräsidentin mit dem Präsidenten der Region Emilia-Romagna, Stefano Bonaccini, und Vertretern von Unternehmen und der Gewerkschaften. Meloni und Bonaccini kommen offenbar gut miteinander aus, obwohl sie die Vorsitzende der weit rechts stehenden Fratelli d'Italia ist und er einer der führenden Köpfe des zuletzt weiter nach links tendierenden sozialdemokratischen PD, der wichtigsten Oppositionspartei. Beiden wird im Land auch bescheinigt, in der Katastrophenlage eine gute Figur gemacht zu haben, Meloni mit empathischem Auftreten in der Krisenregion, nachdem sie vorzeitig vom G-7-Gipfel in Japan aufgebrochen war, der Regionalpräsident als oberster Krisenmanager der vergangenen Tage.

Allein um die Provinzstraßen zu reparieren braucht es 200 Millionen Euro

Die gute Zusammenarbeit ist nicht selbstverständlich, denn es hätte nahegelegen, die Katastrophe für einen politischen Streit zu nutzen. In der Emilia-Romagna gibt es traditionell linke Mehrheiten, während auf Landesebene seit Herbst eine Rechts-Regierung an der Macht ist.

Die Höhe der Schäden durch die extremen Regenfälle wird sich erst nach und nach herausstellen, Bonaccini hat sie mit bis zu zehn Milliarden Euro beziffert, dazu zählen alle Folgekosten durch Produktionsausfälle in Industrie und Landwirtschaft. Die Regierung hat noch keine wirkliche Ahnung, woher sie dieses Geld nehmen soll. Deshalb ist ein Antrag an die Europäische Union wahrscheinlich, um aus dem Europäischen Solidaritätsfonds und vielleicht auch aus anderen Programmen Geld zu bekommen, wie das auch beim großen Erdbeben vor elf Jahren in der Emilia-Romagna der Fall war: Damals gab es 670 Millionen aus Brüssel, die Schadenskosten wurden auf zwölf Milliarden Euro taxiert.

Besuch bei den von Schlamm und Fluten Heimgesuchten: Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni in Faenza. Sie kehrte vorzeitig vom G-7-Gipfel zurück, um in die Emilia-Romagna zu reisen. (Foto: Presseamt Palazzo Chigi/AFP)

Die ersten Soforthilfen haben einen kleineren Umfang. Landwirtschaftsminister Francesco Lollobrigida erklärte, sein Ministerium habe "nach allen verfügbaren Ressourcen gesucht und Mittel in Höhe von mindestens 100 Millionen Euro gefunden, um diese Situationen zu bewältigen. Es sind jedoch ganz andere Summen erforderlich." Die Provinzen verlangten allein 200 Millionen Euro Soforthilfe für die Provinzstraßen, berichtete Vizepremier und Infrastrukturminister Matteo Salvini: "Wir werden versuchen, alles Mögliche zu tun." Wie detailliert Geld gesucht wird, zeigt der Plan, Erlöse aus zusätzlichen Lotterien und dem Verkauf beschlagnahmter Autos der Organisierten Kriminalität zu generieren.

Steuern und Abgaben sind bis zum Ende des Sommers ausgesetzt

Meloni sprach dann in der gemeinsamen Pressekonferenz mit Bonaccini von mehr als zwei Milliarden Euro, die in die von der Überschwemmung betroffenen Gebiete gehen sollen. "In der aktuellen Situation, in der sich Italien befindet, ist es nicht leicht, in wenigen Tagen zwei Milliarden Euro aufzubringen", sagte die Premierministerin. In den betroffenen Gebieten werden die Zahlungen von Steuer- und Sozialversicherungsbeiträgen bis Ende August ausgesetzt, ebenso von privaten Hypotheken - Tausende wurden durch die Fluten obdachlos. Unternehmen, die infolge der Wetterkatastrophe nicht produzieren können, wird eine Art Kurzarbeitergeld gezahlt, und Selbständige erhalten bis zu 3000 Euro Einmalzahlung. Es soll ferner ein außerordentlicher Kommissar für den Wiederaufbau benannt werden.

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Bei der Flutkatastrophe sind, wie sich nun nach und nach herausstellt, auch Kulturgüter beschädigt worden. Betroffen sind nach Agenturmeldungen unter anderem die Gärten der Villa Spada in Bologna und das Mittelaltermuseum in der Stadt. In Cesena sei Wasser in eine mehr als 550 Jahre alte Bibliothek eingedrungen, heißt es, während es in einem nahe gelegenen Benediktinerkloster Einstürze gegeben habe. Im nördlicher gelegenen Bagnacavallo wurden Fresken im Städtischen Museum der Kapuzinerinnen beschädigt. Das italienische Kulturministerium nimmt derzeit Schadensmeldungen aus der Katastrophenregion auf. "Sobald wir einen ersten Überblick über die Schäden haben, werden wir einen Maßnahmenplan umsetzen", sagte Kulturminister Gennaro Sangiuliano. Er kündigte einen Aufschlag von einem Euro auf den Eintrittspreis der staatlichen Museen im Lande an, das Geld soll dann der Emilia-Romagna zugutekommen.

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