Italien:Fast ein Plebiszit

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Lässt sich nicht in die Karten schauen: Italiens designierter Regierungschef Mario Draghi (Foto: Ufficio Stampa Camera Dei Deputa/via Reuters)

Italiens designierter neuer Premier steuert auf eine breite Mehrheit im Parlament zu. Bleibt es bei den Zusagen, wird Mario Draghi in ein paar Tagen im Parlament mit einer satten Mehrheit in sein Mandat starten. Die Cinque Stelle befragen allerdings noch ihre Mitglieder auf der parteieigenen Onlineplattform "Rousseau".

Von Oliver Meiler, Rom

Mario Draghi steht kurz davor, neuer italienischer Premierminister zu werden. So sich in letzter Minute nichts mehr Bewegendes tut, was in Italien immer möglich ist, ist dem Römer eine breite Mehrheit im Parlament sicher. Bei der zweiten Sondierungsrunde, die am Dienstagabend in Rom zu Ende ging, haben außer den Fratelli d'Italia, der postfaschistischen Partei von Giorgia Meloni, alle Parteien dem designierten Regierungschef ihre Unterstützung kundgetan. Und auch Meloni richtete aus, dass sie sich punktuell durchaus "nützlich" zeigen werde in Zukunft - nur bei der Vertrauensabstimmung werde sie nicht für Draghi stimmen.

Bleibt es bei den Zusagen, wird Draghi in ein paar Tagen im Parlament mit einer satten Mehrheit in sein Mandat starten. Im Senat, der kleineren und chronisch knappen Kammer, könnte er 294 von 315 Stimmen gewinnen. Fast ein Plebiszit. Davor wird er aber im Quirinalspalast erwartet, dem Sitz des Staatspräsidenten, für die Einschwörung seines Kabinetts.

Auch Berlusconi schaute vorbei

Silvio Berlusconi ließ es sich nicht nehmen, an der zweiten Konsultationsrunde teilzunehmen, als Delegationsleiter seiner Forza Italia. "Danke, dass du gekommen bist", sagte Draghi zum 84-jährigen Berlusconi, der in jüngerer Vergangenheit oft krank war und sich schon lange nicht mehr in Rom gezeigt hatte. Die zwei verbindet eine lange, nicht immer harmonische Beziehung. Mit seiner Bereitschaft, Draghi zu stützen, hat Berlusconi die italienische Rechte in ein Dilemma gestürzt. Schließlich entschied auch Matteo Salvini, seine rechtspopulistische Lega auf Draghis Seite zu schlagen, und vollführte dafür verbal eine ideologische Volte: weg vom Souveränismus. Der Europaskeptiker hörte sich in den vergangenen Tagen plötzlich wie ein Europafreund an.

Ob die Lega mit Ministern im neuen Kabinett vertreten sein wird, war zunächst nicht absehbar. Überhaupt ließ sich Draghi nicht in die Karten schauen. Seinen Gesprächspartnern sagte er, er werde nun seine Schlüsse ziehen. Erwartet wird, dass die Regierung größtenteils - oder ausschließlich - aus parteilosen Ministern bestehen wird. So soll verhindert werden, dass sich ideologisch schwer vereinbare Parteien, wie es etwa die Lega und der sozialdemokratische Partito Democratico sind, nicht gegenseitig behindern.

Die Fünf Sterne sind noch nicht ganz sicher

Innerlich zerrissen ist die ehemalige Protestpartei Cinque Stelle. Als Wahlsiegerin von 2018 stellt sie die größte Abordnung im Parlament. Die gesamte Parteiführung steht hinter Draghi, auch Gründer und Garant Beppe Grillo. Eine minoritäre, aber besonders militante Gruppe der Partei wehrt sich gegen ein Mittun im großen Sammelsurium um den früheren EZB-Chef, den sie für einen klassischen Vertreter der Eliten und der Banken hält. Sie erreichte, dass die eingeschriebenen Mitglieder der Fünf Sterne nun am Mittwoch und Donnerstag auf der parteieigenen Onlineplattform "Rousseau" ihre Meinung sagen können. Ein paar Tausend Klicks entscheiden darüber, ob Draghi eine wirklich sehr breite oder nur eine breite Mehrheit erhält. Möglich wäre auch eine Spaltung der Bewegung. Doch wie viele Sterne im Parlament dann tatsächlich die Partei verlassen, ist nicht klar.

Dem Volk gefällt die neue Perspektive mit Mario Draghi offenbar. Bei Umfragen sagen zwischen 60 und 70 Prozent der befragten Italiener, dass sie eine Regierung unter seiner Führung begrüßen würden.

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