Partito Democratico:Die italienische Linke zelebriert ihren Drang zur Selbstzerfleischung

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Matteo Renzi hat die Parteiführung niedergelegt. Er hofft auf ein neues, stärkeres Mandat. (Foto: AP)

Für oder gegen Matteo Renzi - an dieser Frage zerlegt sich gerade der sozialdemokratische Partito Democratico. Die populistischen Gegner brauchen bloß abzuwarten.

Kommentar von Oliver Meiler, Rom

Italiens Linke trägt in sich einen bemerkenswerten Drang zur Selbstzerfleischung. Das hat sie schon oft bewiesen. In diesen Tagen zelebriert sie ihn mal wieder öffentlich, mit Drama und Theater, mit vibrierenden Appellen an die Vernunft und unvernünftigen taktischen Spielchen.

Die Abendnachrichten im Fernsehen beginnen mit den jeweils jüngsten Episödchen, jeden Tag, mag sich die Welt unterdessen noch so sehr vor anderen Krisen fürchten. In den Zeitungen füllt der Streit bei den Linken stets die ersten vier, fünf Seiten. In der Bar redet man darüber, wie man sonst über Fußball redet, ähnlich gut informiert.

Italien steht still und schaut zu, wie sich die momentan größte sozialdemokratische Partei Europas, der Partito Democratico, zerlegt. Man könnte es für eine Posse halten, stellte diese Partei nicht die Regierung des Landes. Und über der ganzen Szene kreisen, um beim Bild zu bleiben, die Populisten und warten darauf, bis das gute Tier erlegt ist.

Ehemaliger Premierminister von Italien
:Renzi will zurück

Der italienische Ex-Premier will es allen zeigen, die in ihm einen Verlierer sehen: den politischen Gegnern und den Rivalen in seiner Partei. Er hofft daher auf Neuwahlen, und das lieber früher als später.

Von Oliver Meiler

Es gibt Gründe für den Streit, der nun wohl in einer Spaltung enden wird. Nur fragt sich, ob diese Gründe auch gut genug sind, um "Selbstmord" zu begehen, wie es der sonst nie sehr emphatische frühere Premierminister Romano Prodi nennt.

Der Partito Democratico ist das Ergebnis einer kalten Fusion. 2007 verbündeten sich die Christlichsozialen aus der verflossenen Democrazia Cristiana mit den Erben des historisch überholten Partito Comunista Italiano zu einer irgendwie progressiven, reformerischen Kraft im linken Zentrum. Als Symbol wählte man einen Olivenzweig, der an Prodis Wahlallianz "Ulivo" gemahnte.

Doch wirklich friedlich waren sich die beiden Partner nie gesinnt. Dafür waren die Ideologien und Traditionen, aus denen sie stammten, dann doch zu unterschiedlich. Ein bisschen wie bei Don Camillo und Peppone.

2013 übernahm Matteo Renzi, ein junger Katholik mit einer Vergangenheit bei den Pfadfindern. Kein Linker. Renzi wurde Premier. In kurzer Zeit hob er den Partito Democratico auf 40 Prozent der Stimmen, die Sehnsucht nach den Zeiten der DC und des PCI verblasste. Alles schien möglich zu sein.

Der Rekord stieg Renzi zu Kopf. Er glaubte, die Partei lasse sich zu einer Alles-passt-rein-Formation umbauen. Die alten Persönlichkeiten aus der postkommunistischen Tradition galten ihm als Fossilien, er belächelte und verhöhnte sie. Und sie duckten sich eine Weile. Als Renzi dann aber mit seiner Verfassungsreform am Volk scheiterte, waren die Belächelten schnell zurück. Und drohen nun mit der Abspaltung des linken Flügels, wenn Renzi sich ihren Forderungen nicht beugt.

Für oder gegen Renzi

Natürlich geht es dabei auch um die existenziellen Fragen, die sich die Sozialdemokratie überall im Westen gerade stellt, vor allem um diese: Ist das die Zeit für weniger oder für mehr linke Politik? Renzi wird von der Parteilinken gerne als "Freund der Ölbarone und Banker" beschimpft, als Neoliberaler. Sie überziehen heillos.

Die ideologischen Differenzen sind in Wahrheit nicht so groß, dass sie es wert wären, den Cinque Stelle und der Rechten eine "Autobahn zur Macht" zu eröffnen, wie es Enrico Letta umschreibt, ebenfalls ein früherer Premier der Linken.

Am Ende dreht sich das Drama eben allein um Matteo Renzi. Für oder gegen ihn, mit Leidenschaft. Vielleicht rechnen sich die Spaltwilligen aus, dass sie für sich alleine mehr Stimmen holen werden als im Verbund mit Renzi, in der großen Familie der Progressiven. Doch sicher ist das nicht.

Wahrscheinlich sehen die Italiener im Theater dieser Tage viel eher einen weiteren Beleg dafür, dass sich ihre alte, etablierte politische Klasse lieber mit sich selbst beschäftigt, mit Posten und persönlichen Animositäten, statt mit dem Land und dessen Problemen. Da verlieren alle.

© SZ vom 23.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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