Israels Premier in Berlin:Merkels deutliche Mahnung

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Die Kanzlerin und lsraels Premier reden auf der Pressekonferenz freundlich aneinander vorbei. Doch Merkels Worte haben Netanjahu gezeigt, wie eng die diplomatische Kette geknüpft ist.

Daniel Brössler

Freundlicher als es der israelische Ministerpräsident und die deutsche Kanzlerin am Donnerstag getan haben, kann man nicht aneinander vorbeireden. Klar und unmissverständlich forderte Angela Merkel den Gast auf, endlich einen Baustopp für die Siedlungen in den besetzten Gebieten zu verhängen. Benjamin Netanjahu wiederum nahm das Wort Siedlungen zumindest vor der Presse nicht einmal in den Mund. Lieber sprach er über sein Lieblingsthema, die Anerkennung des jüdischen Staates durch die Palästinenser. Der Konflikt war offensichtlich. Dennoch galt: Keine böse Miene zeigen.

Die Mahnung kommt an: Bundeskanzlerin Merkel forder von Israels Ministerpräsident Netanjahu den Stopp des Siedlungsbaus. (Foto: Foto: Reuters)

Zu den Lehrsätzen deutscher Diplomatie gehört die Feststellung, dass es in den Beziehungen zu Israel keine Normalität geben könne. Das ist richtig und falsch. Richtig, weil der Einsatz für Israels Sicherheit nach dem Holocaust zur Staatsraison einer deutschen Demokratie gehören muss. Angela Merkel hat das auch während Netanjahus Besuch noch einmal betont.

Falsch oder zumindest irreführend ist die Feststellung aber, weil die Partnerschaft zu Israel nach Jahrzehnten eine Nähe hergestellt hat, die einen normalen Umgang erlaubt. Kein Staat in der EU gilt in israelischen Augen als verlässlicherer Partner. Bei den Bemühungen um die Freilassung des entführten Soldaten Gilad Schalit setzt Israel ebenso auf Deutschland wie im diplomatischen Kampf gegen eine atomare Bewaffnung Irans.

Merkel ist das bewusst. In wenigen Feldern der internationalen Politik zeigt sie so viel Emotion wie in der Freundschaft zu Israel. Auch deshalb hatte sie den Israelis bei ihrer Rede vor dem israelischen Parlament zum 60. Jahrestag der Staatsgründung Vorhaltungen wegen der Siedlungspolitik erspart. Das hat in Jerusalem Hoffnungen genährt, die Reise nach Berlin könnte eine einfache werden.

Verpflichtung zu Offenheit

Ein Berater Netanjahus wurde gar vorstellig, um das leidige Siedlungsthema von der Tagungsordnung zu streichen. Doch die Welt hat sich verändert seit Merkels Rede vor der Knesset. Im Weißen Haus, dem Fixstern jeglicher Nahost-Politik, regiert ein neuer Präsident. Mit seiner Forderung nach einem kompletten Stopp israelischen Siedlungsbaus hat Barack Obama eine unsichtbare Linie gezogen. Wer hinter diese Forderung zurücktritt oder sie relativiert, schwächt die Bemühungen Obamas und seines Nahost-Vermittlers George Mitchell.

Gerade mit seinem Versuch, die Siedlungsfrage als zweitrangig darzustellen, hat Netanjahu die Kanzlerin zu einer deutlichen Positionierung gezwungen. Sie musste eine "substantielle" Bewegung Israels fordern und klarmachen, dass es ohne eine Lösung dieser Frage keinen Neustart der Friedensverhandlungen wird geben können. Gewiss ist Deutschlands Einfluss begrenzt. Die Worte der Israel-Freundin Merkel haben Netanjahu aber gezeigt, wie eng die diplomatische Kette geknüpft ist. Deutschlands Verantwortung erzwingt in diesem Fall eben keine Zurückhaltung. Sie verpflichtet vielmehr zu Offenheit.

© SZ vom 28.08.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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