Israels bekanntester Journalist geht in die Politik:Schrecken aller Rechten und Religiösen

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Yair Lapid ist die Hoffnung all derer, die an ein modernes und liberales Israel glauben: Der bekannteste Journalist des Landes wechselt in die Politik und will Premier Benjamin Netanjahu herausfordern. Lapids Themen sind Bildung und soziale Gerechtigkeit - genau das, was im Sommer die Massenproteste gegen die Regierung beflügelt hat. Doch wird er tatsächlich genug Mitstreiter für seine Ideen finden?

Peter Münch, Tel Aviv

Der Premier begrüßte den Neuen mit einem knorrigen Kommentar: "Willkommen in der Politik", sagte Benjamin Netanjahu - doch in Wirklichkeit ist ihm Yair Lapid natürlich alles andere als willkommen. Denn Israels vielleicht populärster Journalist, der nun mit Aplomb seinen Wechsel in die politische Arena bekanntgegeben hat, gilt als ernsthafter Konkurrent für den Regierungschef.

Er brennt darauf, Israel zu verändern: Yair Lapid, der bekannteste Journalist des Landes, will in die Politik wechseln - er könnte ein ernsthafter Konkurrent für Regierungschef Benjamin Netanjahu werden.  (Foto: REUTERS)

Umfragen sprechen einer von ihm gegründeten neuen Partei aus dem Stand heraus bis zu 20 der insgesamt 120 Parlamentssitze zu. Er ist die Hoffnung all derer, die an ein modernes und liberales Israel glauben. Und er ist der Schrecken der Rechten und der Religiösen. Yair Lapid, so viel ist klar, wird frischen Wind in Israels Politik bringen. Unnötig erscheint das nicht.

Am Freitagabend hatte der 48-Jährige noch wie immer auf Channel 2 das meistgesehene Nachrichtenmagazin des Landes moderiert, wie üblich war auch seine Wochenendkolumne im Massenblatt Jedioth Achronot erschienen. Dann aber hat er den TV-Oberen die Kündigung geschickt und auf seiner Facebook-Seite den Wechsel in die Politik publik gemacht.

Ein Paukenschlag - doch überraschend war allein der Zeitpunkt. Denn schon seit Jahren kokettiert Lapid mit diesem Schritt. Wer ihn im Souterrain-Büro seines Hauses im schicken Tel Aviver Norden besuchte, konnte einen Mann von fröhlicher Zerrissenheit erleben. "Ich kann ein beliebter Journalist bleiben, der gutes Geld verdient und ein lockeres Leben hat", sagte er da. "Oder ich kann ein hart arbeitender Politiker werden, der wenig verdient und den keiner mag."

Macht der Stimmen statt Macht der Worte

Nun also hat er sich entschieden für den vermeintlichen Opfergang, und er konnte wahrscheinlich gar nicht anders, als dem durchaus eitlen Reiz zu folgen, auch dieses seiner vielen Talente auszuprobieren. Denn reüssiert hat er schließlich schon als Talkmaster und Schauspieler, als Autor von Kinderbüchern und Thrillern, Theaterstücken und Fernsehserien. Wenn er nun die Macht des Wortes gegen die Macht der Stimmen eintauscht, will er seinen Charme und sein Charisma auf einer neuen Bühne testen.

Er folgt dabei den Fußstapfen seines berühmten Vaters, und den Rat seiner berühmten Mutter hat er zuvor auch noch eingeholt. Die Mutter ist die Schriftstellerin Shulamit Lapid, deren Krimis auch in Deutschland gern gelesen werden. Sein 2008 verstorbener Vater Josef "Tommy" Lapid hatte in den neunziger Jahren nach einer Journalisten-Karriere Israels Politik aufgemischt mit der streng säkularen Schinui-Partei.

Yair Lapid aber will sich nicht allein auf die Radikalreligiösen einschießen, sondern viel breiter aufstellen als sein Vater. Seine Themen sind Bildung und soziale Gerechtigkeit - all das also, was im Sommer die Massenproteste gegen die Regierung beflügelt hat und nun seinen Aufstieg sichern soll.

Als Journalist gab Lapid gern den Volkstribun, als Politiker muss er aber nun zunächst einmal Mitstreiter suchen für eine neue Partei - wenn er nicht am Ende doch noch dem Werben der oppositionellen Kadima erliegt, die mit ihm an der Spitze Umfragen zufolge die nächste Wahl gewinnen könnte. Vieles ist noch offengeblieben nach dem Seitenwechsel, und israelische Kommentatoren üben sich bereits in Wortspielen mit seinem Namen. Lapid heißt auf Hebräisch "Fackel", und manche sehen ihn schon verglühen auf dem langen Weg zur Macht. Er selbst aber lässt keinen Zweifel daran aufkommen, wie sehr er darauf brennt, Israels Politik zu verändern.

© SZ vom 10.01.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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