Israel und Syrien:Raketen hinter der roten Linie

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Israel soll erneut ein Waffendepot in Syrien bombardiert haben. Wenn die Berichte zutreffen, wäre dies der bereits vierte Angriff in diesem Jahr. Dass Syriens Präsident Assad diesmal nicht mit Vergeltung droht, könnte ein Indiz dafür sein, dass er am Ende seiner Kräfte ist.

Von Peter Münch, Tel Aviv

Als der Rauch über dem Explosionsort in der syrischen Hafenstadt Latakia sich längst verzogen hatte, da begannen mit Verspätung die Spekulationen und Schuldzuweisungen: Israel, so heißt es, soll dort am 5. Juli erneut ein Munitionsdepot bombardiert und 50 russische Flugkörper vom Typ Jachont zerstört haben. Die syrischen Rebellen eröffneten den Reigen mit einer Erklärung, dass ihre Waffenkraft für einen solchen Angriff nicht ausreichen würde und daher eine "ausländische Macht" im Spiel sein müsse.

CNN meldete daraufhin unter Berufung auf US-Offizielle einen israelischen Luftangriff, die britische Sunday Times berichtet dagegen, das Waffendepot sei von einem der in Deutschland gekauften israelischen Dolphin-U-Boote aus zerstört worden. Doch während ringsherum die Aufregung steigt, herrscht sowohl in Israel als auch in Syrien striktes Schweigen.

Wenn die Berichte im Kern zutreffen, wäre dies Israels vierter Angriff auf ein syrisches Waffenlager in diesem Jahr. Offiziell hat sich die Regierung in Jerusalem nie zu solchen Militäraktionen bekannt, doch der letzte Doppelschlag an zwei Tagen im Mai hatte in Damaskus ein donnerndes Echo ausgelöst. Die Führung um Präsident Baschar al-Assad hatte dies als Kriegserklärung gewertet und im Falle weiterer Angriffe mit Vergeltung gedroht. Dies beförderte die Ängste, dass der syrische Bürgerkrieg zu einem Regionalkonflikt eskalieren könnte. Dass nun jedoch das Regime keinerlei Reaktion zeigt, könnte als Indiz dafür gesehen werden, dass Assad zum jetzigen Zeitpunkt keine Kraft für eine Konfrontation mit Israel hat.

Ängste vor dem Regionalkonflikt

Die israelische Regierung hat ihrerseits stets betont, dass sie kein Interesse an einem Eingreifen in die syrischen Wirren hat. Zugleich hat sie jedoch eine rote Linie gezogen für den Fall, dass hochentwickelte Waffen in die Hände der libanesischen Hisbollah geraten könnten, die Assads Truppen zur Seite stehen. Dies haben angesichts der jüngsten Angriffsspekulationen sowohl Ministerpräsident Benjamin Netanjahu als auch sein Verteidigungsminister Mosche Jaalon noch einmal bekräftigt.

Die Anti-Schiff-Marschflugkörper des Typs Jachont mit einer Reichweite von 300 Kilometern werden in Israel als ernste Bedrohung gewertet. Sie könnten Kriegsschiffe ebenso treffen wie vor der Küste liegende Gasförderstätten. Zudem könnten sie die westlichen Interventionsmöglichkeiten einschränken und etwa gegen Schiffe eingesetzt werden, die die syrischen Rebellen mit Waffen beliefern wollen.

In israelischen Medien wird heftig darüber spekuliert, warum aus Washington nun schon zum zweiten Mal anonym ein mutmaßlicher Angriff auf Waffendepots in Syrien bestätigt wurde. Dies würde "Israel nicht stärken", zitiert die Zeitung Jedioth Achronoth aus Jerusalemer Regierungskreisen. Gewertet wird dies als Vertrauensbruch und als deutliches Anzeichen für fehlende amerikanische Solidarität. Möglicherweise könnte die amerikanische Regierung damit auch versuchen, Israel unter Druck zu setzen und von weiteren militärischen Alleingängen abzuhalten.

© SZ vom 16.07.2013/mike - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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