Israel und Deutschland:"Antisemitismus darf keinen Platz haben in dieser Bundesrepublik"

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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier entzündet in Berlin zum Auftakt des Jubiläumsjahres 2018 die Kerzen auf dem Chanukka-Leuchter. (Foto: dpa)

Bundespräsident Steinmeier feiert in Berlin den 70. Jahrestag der israelischen Staatsgründung. Dabei kritisiert er die antiisraelischen Proteste der vergangenen Tage deutlich.

Von Anna Dreher, Berlin

Die Stimmung ist feierlich, als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit dem israelischen Botschafter Jeremy Issacharoff die vier Kerzen auf dem Chanukkaleuchter anzündet. Es ist Freitagmorgen, gefeiert wird "70 Jahre Staatsgründung Israel" - die israelischen Botschaft in Berlin gibt zum Auftakt des Jubiläumsjahres 2018 einen Empfang. Die Gäste singen gemeinsam, begleitet von Klaviermusik, dann spricht Steinmeier. Chanukka, sagt er, sei in der jüdischen Tradition schon immer ein besonders fröhliches, herzliches, familiäres Fest gewesen. Aber heute wolle er ohne Umschweife auf das zu sprechen kommen, was ihm auf der Seele liegt - und das wiederum ist nicht feierlich.

"In derselben Woche, in der unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger die Kerzen ihrer Chanukka entzünden, haben auf deutschen Plätzen israelische Fahnen gebrannt. Das erschreckt mich und beschämt mich", sagt Steinmeier. Der Antisemitismus sei nicht überwunden und zeige sich auf vielfältige Weise, keine davon dürfe in Deutschland hingenommen werden: "Antisemitismus darf keinen Platz haben in dieser Bundesrepublik."

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Es gebe Dinge, sagt Frank-Walter Steinmeier am Freitag, die sich nicht verändern und zu Deutschland gehören. Wie auch die Verantwortung vor der eigenen Geschichte und den Lehren daraus. "Diese Verantwortung kennt keine Schlussstriche für Nachgeborene und keine Ausnahmen für Zuwanderer", sagt der Bundespräsident. "Sie ist nicht verhandelbar - für alle, die in Deutschland leben und hier leben wollen." Wer auf deutschen Plätzen die israelische Fahne in Brand setze, der verstehe oder respektiert auch nicht, was es heiße, deutsch zu sein: "Nur wenn Juden in Deutschland vollkommen zu Hause sind, ist diese Bundesrepublik vollkommen bei sich."

Seine Rede endet unter großem Applaus. Unter den Gästen sind auch Holocaust-Überlebende. Margot Friedländer ist da, sie zählt zu den bekanntesten deutschen Zeitzeugen. "Ich hätte nicht gedacht, dass ich noch mal einen solchen Antisemitismus erleben würde. Was gerade passiert, ist schade und sehr traurig", sagt die 96-jährige Jüdin der SZ bewegt. "Ich habe das Gefühl, der Hass ist in den letzten Jahren öffentlicher und lauter geworden." Israel sei wichtig als Heimatland für die Juden.

Zahlreiche Kirchenvertreter hatten sich ebenfalls mit Sorge über die jüngsten Ausschreitungen geäußert. Die evangelische Bischöfin Petra Bosse-Huber sagte in Berlin, es komme vor allem in Schulklassen mit gemischter ethnischer Zusammensetzung vermehrt zu Übergriffen auf jüdische Schüler. Die gesamte Zivilgesellschaft sei aufgerufen, gegen Antisemitismus einzutreten. Der Bamberger katholische Erzbischof Ludwig Schick betonte, die Kirchen seien kategorisch gegen Antisemitismus. Dieser sei auch nicht mit außenpolitischen Fehlern anderer Staaten zu rechtfertigen.

In einem Bericht zur Religionsfreiheit, den die Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am Freitag gemeinsam mit der katholischen Deutschen Bischofskonferenz vorstellte, heißt es, antisemitische Angriffe hätten in vielen europäischen Staaten zugenommen, darunter vor allem in Osteuropa. Juden seien Beschimpfungen, Vandalismus und terroristischen Angriffen vermehrt ausgesetzt. Als Quellen für den Hass auf Juden werden die politischen Extreme rechts wie links sowie "in zunehmendem Maße" islamistische Extremisten genannt.

Deutsche Politiker verschiedener Parteien verurteilten kurz nach den Protesten in Berlin Antisemitismus und Hass auf Israel und sprachen sich für ein konsequenteres Vorgehen gegen antisemitische Demonstrationen aus. Am Montag hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel das Verbrennen israelischer Fahnen scharf kritisiert: "Wir wenden uns gegen alle Formen des Antisemitismus und des Fremdenhasses", sagte Merkel nach einer Sitzung des CDU-Vorstands. Der Staat müsse mit allen Mitteln des Rechtsstaats dagegen einschreiten.

Am Freitag spricht nach dem Bundespräsidenten noch Botschafter Issacharoff, der zuvor in einem Interview ein Verbot des Verbrennens von Flaggen gefordert hatte. Er lobt die Beziehungen zu Deutschland und die Haltung der Bundesregierung, warnt vor den Herausforderungen und sagt dann: "Ich glaube es gibt noch Grund für Optimismus für die israelische Region und ich hoffe, Deutschland wird uns weiterhin Partner sein."

Am 14. Mai 1948 wurde der unabhängige Staat Israel ausgerufen, sein bald 70-jähriges Bestehen ist gekennzeichnet von einer wechselvollen und konfliktreichen Geschichte. Auch angesichts der jüngsten Ereignisse und Ausschreitungen scheint fraglich zu sein, wie ausgelassen die Stimmung im Jubiläumsjahr sein wird. An diesem Morgen aber soll gefeiert werden - und so endet der offizielle Teil des Empfangs schon nach einer halben Stunde.

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