Israel:Dutzende Festnahmen bei Protesten gegen Justizreform

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Tausende Israelis protestieren am Flughafen Ben Gurion in Tel Aviv. (Foto: Tsafrir Abayov/AP)

Landesweit geht die israelische Polizei gegen die Demonstranten vor. Laut eines Sprechers wurden seit dem Morgen 66 Menschen festgenommen. Am Flughafen von Tel Aviv protestieren Tausende Menschen.

Bei Protesten in Israel hat die Polizei am Dienstag nach eigenen Angaben 66 Menschen festgenommen, die Hälfte davon in Tel Aviv. Sieben Personen seien mittlerweile wieder freigelassen worden. Im ganzen Land demonstrieren seit dem frühen Morgen Tausende Israelis beim "Tag der Störung" gegen die von der Regierung geplante Justizreform. In der Nacht hatte das Parlament einen Entwurf des umstrittenen Gesetzes in der ersten Lesung gebilligt.

Am Flughafen Ben Gurion in Tel Aviv haben sich am Nachmittag nach Berichten der Tageszeitung Haaretz über 10 000 Demonstranten versammelt. Vereinzelt gab es dabei Konfrontationen mit der Polizei. Auf Videoaufnahmen ist zu sehen, wie Beamte zwei Menschen gewaltsam aus dem Flughafen entfernten.

Oppositionspolitiker Benny Gantz forderte die Polizei zu Zurückhaltung auf. Die Demonstranten seien keine Feinde. "Man wendet diese Gewalt nicht gegen Bürger an", sagte er der Deutschen Presse-Agentur auf einer Demonstration in Tel Aviv. Die Polizei erklärte, sie werde das Recht auf Meinungsfreiheit und Protest in den Grenzen des Gesetzes schützen, jedoch keine Verletzungen der öffentlichen Ordnung und keine Unterbrechung des Verkehrs oder eine Gefährdung von Autofahrern akzeptieren. Sie setzte landesweit Wasserwerfer und Beamte auf Pferden ein, um die Mengen auseinanderzutreiben.

Bereits am Vormittag waren Tausende Demonstranten auf die Straßen gegangen, blockierten zeitweise mehrere Hauptverkehrsstraßen und schwenkten israelische Flaggen. Auf Protestschildern war etwa zu lesen "Wir müssen die Zerstörung der Demokratie stoppen". Es wird erwartet, dass sich die Proteste am Abend noch intensivieren könnten.

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Umbau der Justiz hat begonnen

Israels Parlament hatte in der Nacht einem Gesetzentwurf der umstrittenen Justizreform von Premier Netanjahu in erster Lesung zugestimmt. Er sieht vor, dass es dem obersten Gericht künftig nicht mehr möglich sein soll, eine Entscheidung der Regierung als "unangemessen" zu bewerten und so zu blockieren. Kritiker befürchten, dass dies Korruption und damit auch die willkürliche Besetzung hochrangiger Posten begünstigen könnte.

Bis die Änderung in Kraft tritt, sind noch zwei weitere Lesungen notwendig. Der Entwurf soll laut Berichten bereits am Dienstag an den zuständigen Rechtsausschuss der Knesset, des Parlaments, übergeben werden, der ihn für die zweite und dritte Plenumslesung vorbereiten wird. Der Abstimmung war eine stürmische Debatte im Parlament vorausgegangen. Begleitet wurde sie von Demonstrationen vor dem Parlamentsgebäude. Beamte der Knesset-Polizei entfernten laut Berichten mehrere Demonstranten gewaltsam aus dem Gebäude. Sie sollen versucht haben, den Zugang zum Plenum zu blockieren.

Die israelische Regierung wirft den Richtern vor, sich zu sehr in politische Entscheidungen einzumischen. Kritiker sehen die Gewaltenteilung in Gefahr und warnen, dass sich Israel in eine Diktatur verwandeln könnte. Die Reformpläne spalten schon seit mehr als einem halben Jahr große Teile der israelischen Gesellschaft.

Regelmäßig gehen Tausende Israelis gegen die Pläne auf die Straßen. Die Protestbewegung ist eine der größten in der Geschichte Israels, einem Land mit rund 9,4 Millionen Einwohnern, und sie umfasst breite Gesellschaftsteile. Mehrere Unternehmen aus der Hightech-Branche, die in Israel als treibender Motor der Wirtschaft gilt, kündigten an, ihren Beschäftigten für die Demonstrationen freizugeben.

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