Egal, wo er hinkommt, Benny Gantz fällt auf. Mit seinen zwei Metern Körpergröße ragt der 60-Jährige stets heraus. Seine stechend blauen Augen kennt jeder im Land von den riesigen Wahlplakaten. Doch sonst wirkt es fast so, als wolle der ehemalige Armeechef möglichst nicht auffallen. Begeisterungsstürme jedenfalls hat er auch in seinem zweiten Wahlkampf nicht ausgelöst. Zwar ist er bei seinen Auftritten sicherer geworden und hat im Gegensatz zu früher auch das ein oder andere Fettnäpfchen ausgelassen. Ein mitreißender Redner wird aus ihm aber nicht mehr. Bei seinen Ansprachen wirkt Gantz hölzern, dabei kann er privat gut auf Menschen zugehen. Griff ihn Premier Benjamin Netanjahu an, keilte der Herausforderer nur selten zurück. Schon früh versprach er: "Ihr hört mich nicht fluchen oder pöbeln." Das hielt Gantz tatsächlich durch.
Diese Zurückhaltung ist gewollt. Selbst um den Preis, dass er auf diese Weise kein eigenes Thema im Wahlkampf gesetzt hat. Im Gegensatz zu Konkurrenten, dem nationalistischen Avigdor Lieberman oder dem liberalen, arabischstämmigen Ayman Odeh, die viel umtriebiger waren und mit ihren Vorschlägen öffentliche Debatten auslösten. Gantz war sichtlich bemüht, sich von Netanjahu abzugrenzen, als höflicher Mann mit sauberer Weste, der mit Korruption nichts zu tun hat und das gespaltene Land wieder vereinen will.
Der Mann ist alles andere als ein Polit-Routinier. Er musste sich wiederholt korrigieren
Sein Sohn habe ihn dazu bewogen, in die Politik zu gehen, sagt Gantz. Erst 2018 gründete er nach 38 Dienstjahren in der Armee die Partei "Widerstandskraft für Israel". Wenig später vereinigte er sie mit der Partei des früheren Fernsehmoderators Jair Lapid zum blau-weißen Bündnis. Der ehemalige Generalstabschef stellt seinen Schritt in die Politik als eine Art Dienst an der Gemeinschaft dar. Als Gantz bei einer Wahlkampfkundgebung von der Moderatorin gefragt wurde, ob er wirklich Premierminister werden wolle, antwortete er: "Ich will das, weil ich weiß, dass ich es machen muss. Glauben Sie mir: Das macht mir keinen Spaß." Als ihn die Moderatorin verwundert ansah, korrigierte er sich. Doch, es mache ihm Spaß, behauptete er nun.
Gantz ist alles andere als ein Polit-Routinier, und so kam es im Wahlkampf häufiger vor, dass er sich korrigieren musste. Einmal sagte er sogar, er würde auch in eine Koalition mit Netanjahu eintreten - was er kurz darauf wieder zurücknahm.
Für welche Politik Gantz eigentlich steht, lässt sich indes nur in wenigen Bereichen konkret festmachen. Er setzt sich für eine liberale Gesellschaftspolitik ein und für ein säkulares Israel. Er fordert Respekt für die arabischen Israelis, die rund 20 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Gantz würde bisherigen Aussagen zufolge aber nicht so weit gehen, deren Parteien in eine Koalition einzubinden. Das Nationalstaatsgesetz, das Israel als jüdischen Staat beschreibt, kritisiert er. Ob Gantz es tatsächlich ändern würde, ließ er - wie so vieles - offen. Mit den Palästinensern will er Verhandlungen führen. Aber gleichzeitig will er Teile des Westjordanlandes und das Jordantal unter israelischer Kontrolle halten.
Dass die einen Experten seine Partei als "Likud light" beschreiben, andere wiederum als Nachfolgeorganisation der alten Arbeitspartei, ist Folge dieser vagen Positionen. Es liegt aber auch an den anderen Personen im Führungskreis. Neben dem liberalen Lapid sind noch zwei weitere Ex-Generalstabschefs dabei, Gabi Aschkenazi und Mosche Jaalon, ein weiter rechts positionierter früherer Verteidigungsminister.
Gantz' Vater und seine Schwester waren in der Arbeitspartei aktiv. Aufgewachsen ist er mit einer älteren und einer jüngeren Schwester in Kfar Ahim. Diesen Ort hatten seine Eltern zusammen mit anderen Holocaust-Überlebenden aus Ungarn und Rumänien im Süden des Landes auf den Ruinen des palästinensischen Dorfes Kastina 1949 gegründet. Er ist nicht religiös geprägt durch das Elternhaus.
Auch andere Generäle vor ihm wurden Premiers
Der große, asketisch wirkende Gantz verkörpert für viele Israelis das Ideal einer Führungsperson und eines starken Mannes, der in brenzligen Situationen besonnen reagieren und entscheiden kann. Das hat er während seiner Militärzeit häufiger unter Beweis gestellt. Bis 2015 war er vier Jahre lang Generalstabschef, ohne dass grobe Schnitzer bekannt geworden wären.
In dieser Funktion als oberster Soldat erlangte er die Bekanntheit, die er nun als Politiker nutzen konnte. In den vergangenen Jahrzehnten waren drei Ex-Generäle Ministerpräsidenten: der später ermordete Jitzchak Rabin, Ehud Barak und Ariel Scharon. Gantz wird häufig mit Rabin verglichen, auch dieser wirkte oft hölzern. Dennoch wurde er einer der großen Premierminister des Landes und stellte die Weichen für einen Ausgleich mit den Palästinensern.