Der Vorwurf von Amnesty International wiegt schwer. Die Menschenrechtsorganisation beschuldigt unter anderem die USA, beim Kampf um die irakische Stadt Mossul leichtfertig zivile Opfer in Kauf zu nehmen. Es handle sich um einen "eklatanten Verstoß gegen internationales humanitäres Recht", schreibt die Organisation in einem Bericht.
Im Irak versuchen derzeit Streitkräfte der irakischen Armee und der von den USA geführten internationalen Koalition, die IS-Hochburg Mossul von der Terrormiliz zurückzuerobern. Dem Bündnis gehören zahlreiche westliche und arabische Staaten sowie die Türkei an. Manche Staaten, wie die USA, Australien, Belgien und Jordanien, sind direkt an den Luftangriffen beteiligt, andere, wie etwa Deutschland, unterstützen die Einsätze beispielsweise mit militärischem Gerät.
Amnesty kritisiert, dass irakische Autoritäten zahlreichen Zivilisten aufgefordert hätten, in Mossul oder in der Nähe der Stadt zu bleiben und nicht zu fliehen. Die Verbündeten der US-geführten Koalition und der irakischen Truppen hätten dadurch die hohe Zahl an Opfern bewusst riskiert. Amnesty zufolge ist zu vermuten, dass die an der Offensive in Mossul beteiligten Koalitionsstreitkräfte keine ausreichende Vorsorge treffen, um Tote zu vermeiden.
Irak:Luftangriffe der Anti-IS-Koalition fordern Dutzende Todesopfer in Mossul
Die irakischen Sicherheitskräfte haben die Rückeroberung der letzten IS-Hochburg unterbrochen. Noch immer halten sich Hunderttausende Menschen in der Stadt auf.
Amnesty habe "Beweise" gesammelt, die belegten, dass im Kampf um Mossul Hunderte Zivilisten bei Luftschlägen in ihren Häusern oder an vermeintlich sicheren Orten getötet wurden. US-geführte Luftangriffe hätten ganze Häuser zerstört, in diesen hätten sich oft Familien befunden.
So berichtet Amnesty etwa von einem Luftangriff am 17. März, bei dem allein im Viertel Jadida 150 Menschen getötet worden seien. Zuletzt mehrten sich derartige Meldungen über zahlreiche zivile Opfer nach Luftschlägen. Sowohl das irakische Verteidigungsministerium als auch die US-geführte Koalition haben angekündigt, die Geschehnisse in Mossul untersuchen zu lassen.
Der UN zufolge sind bei der militärischen Offensive zur Rückeroberung West-Mossuls mehr als 300 Zivilisten getötet worden. Wie ein Sprecher des UN-Menschenrechtskommissariats am Dienstag in Genf mitteilte, bezieht sich die Zahl von insgesamt 307 zivilen Todesopfern auf die Zeit zwischen dem 17. Februar und dem 22. März. Er sagte allerdings nichts dazu, wer für den Tod der Zivilisten verantwortlich sei.
Die USA weisen die Vorwürfe zurück
Das US-Militär widerspricht dem Vorwurf, leichtfertig Opfer in Kauf zu nehmen. Bei Operationen in Syrien und im Irak gehe man vorsichtig vor, um zivile Ziele von militärischen zu unterscheiden, sagte John Thomas, Sprecher des US-Zentralkommandos. Ebenso wies er Berichte zurück, nach denen das US-Militär seine Einsatzregeln gelockert habe.
Seit Mitte Oktober läuft die Offensive zur Rückeroberung der zweitgrößten irakischen Stadt vom IS. Nach der Einnahme von Ost-Mossul im Januar begann im Februar der Angriff auf den Westteil der Stadt. Inzwischen wurden der Sitz der Regionalregierung, das Mossul-Museum und der Bahnhof zurückerobert. Andere Teile aber sind noch immer in der Gewalt der Terrormiliz, der vorgeworfen wird, Zivilisten als menschliche Schutzschilde einzusetzen.
Nach Angaben der Vereinten Nationen sind allein in der Altstadt etwa 400 000 Menschen eingeschlossen. Mossul ist die letzte große Bastion des IS im Irak.