Parlamentswahl:Konservative Koalition in Irland? Eher friert die Hölle zu

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Bunte Mischung auf den Straßen Dublins: Bei den irischen Parlamentswahlen am Freitag treten neben den etablierten Parteien viele Kleinstparteien und Unabhängige an. (Foto: Darren Staples/Reuters)
  • Derzeit regiert Premierminister Enda Kennys Fine Gael in einer Koalition mit der Labour- Partei.
  • Zwar bleibt Fine Gael voraussichtlich mit knapp 29 Prozent der Stimmen stärkste Kraft, doch Labour wird wohl massiv verlieren.
  • Auf Rang drei folgt die irisch-republikanische Partei Sinn Féin mit rund 16 Prozent. Mit ihr möchten die zwei großen Parteien jedoch nicht koalieren.

Von Christian Zaschke, London

Das vielleicht Ungewöhnlichste an diesem Wahlkampf in Irland war, dass er vergleichsweise langweilig daherkam. In der Vergangenheit hatten einige Kandidaten mit schönen Liedern für sich geworben oder sich sonstige Späße erlaubt.

Diesmal waren die Auseinandersetzungen von Sachlichkeit und einstudierten Reden geprägt. Das Ergebnis der Parlamentswahlen an diesem Freitag dürfte dafür alles andere als langweilig werden. Laut Umfragen wird es keine stabile Mehrheit im neuen Parlament geben, was hochinteressante Fragen aufwirft.

Die spannendste ist die, ob die beiden gemäßigt konservativen Parteien Fine Gael und Fianna Fáil eine große Koalition eingehen könnten. Die naheliegende Antwort lautet: selbstverständlich nicht, eher friert die Hölle zu.

Diese Ansicht ist weit verbreitet in Irland, was daran liegt, dass die Parteien sich während des Kampfes um die Unabhängigkeit Irlands vom Vereinigten Königreich vor knapp hundert Jahren eine blutige Fehde lieferten. Noch nie haben sie eine Koalition gebildet, obwohl sie sich in ihren politischen Zielen kaum voneinander unterscheiden.

Mit Sinn Féin wollen die zwei Großen nicht koalieren - die Partei lehnt den Sparkurs ab

Derzeit regiert Premierminister Enda Kennys Fine Gael in einer Koalition mit der Labour- Partei. Es spricht jedoch wenig dafür, dass es beiden Parteien gelingt, erneut die Mehrheit der 158 Sitze im Parlament zu erobern. Zwar bleibt Fine Gael voraussichtlich mit knapp 29 Prozent der Stimmen stärkste Kraft, doch Labour wird wohl massiv verlieren.

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Damit erginge es der Partei wie den britischen Liberaldemokraten, die ebenfalls das Wagnis eingingen, als linksliberaler Juniorpartner eine Koalition mit einer konservativen Partei zu bilden, und dafür von ihren Stammwählern bestraft wurden. Bei der Wahl in Großbritannien im Jahr 2015 mussten sie schwerste Verluste hinnehmen. Mit Sorge schaut die irische Labour-Partei auf dieses Beispiel. Über zehn Abgeordnete wäre man schon glücklich. Zuletzt waren es 37.

Fianna Fáil war 14 Jahre lang an der Regierung, bis 2011. Die Wähler hatten jedoch den Eindruck gewonnen, dass die Partei mitschuldig an der Finanzkrise von 2008 war, die Irland besonders hart traf.

Das vormals als "keltischer Tiger" gepriesene Land wurde zu einem der Sorgenkinder Europas mit einem Arbeitslosenanteil von fast 16 Prozent. Fianna Fáil erlitt eine Niederlage, wie sie in der irischen Geschichte ohne Beispiel war, von den vormals 71 Abgeordneten verblieben nach der Wahl noch 20.

Rund 28 Prozent der Stimmen dürften auf Kleinstparteien entfallen

Unter der Führung von Micheál Martin erholt sich die Partei allmählich. In jüngsten Umfragen kommt sie auf 21 Prozent der Stimmen. Auf Rang drei folgt die irisch-republikanische Partei Sinn Féin mit rund 16 Prozent. Weder Fine Gael noch Fianna Fáil würden mit Sinn Féin ein Bündnis eingehen, weil die Partei den strikten Sparkurs ablehnt.

Sinn Féin selbst hat erklärt, nur Koalitionen einzugehen, in der die Partei stärkste Kraft wäre. Rund 28 Prozent der Stimmen dürften auf Kleinstparteien wie "People Before Profit" und unabhängige Kandidaten entfallen. Diese könnten in einem Parlament ohne klare Mehrheitsverhältnisse die Königsmacher werden.

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In Enda Kennys Partei Fine Gael galt es lange als sicher, dass man an der Regierung bleiben würde. Schließlich ist der Anteil der Arbeitslosen auf unter neun Prozent gefallen, und im vergangenen Jahr wuchs die Wirtschaft um 6,9 Prozent. Für diese Zahlen, so hoffte Kenny, würden die Wähler seine Regierung belohnen.

Beim Mittelstand wird das wohl so sein, hier hat er die größte Unterstützung. Viele Wähler mit geringerem Einkommen sind jedoch der Ansicht, dass sie am stärksten von den Sparmaßnahmen infolge der Finanzkrise betroffen waren und jetzt vom Aufschwung nichts spüren. Diese Stimmung hat Kenny offenbar lange unterschätzt.

Irgendwann merkte der Premier, dass Wählerbeschimpfung nicht die beste Taktik ist

Vor Kurzem platzte ihm der Kragen, und er schimpfte in einer Rede in seinem Wahlkreis, viele Wähler seien "irische Meister im Jammern", die "nicht mal merken, dass die Sonne scheint, wenn sie direkt reinschauen".

Dieser Ausbruch war ungewöhnlich für den sonst so zurückhaltenden Kenny. Erst versuchte er noch, seine Worte zu rechtfertigen, aber dann merkte er wohl, dass Wählerbeschimpfung nicht unbedingt die beste Taktik ist und entschuldigte sich.

Zu denken geben könnte Kenny, dass in der Geschichte des unabhängigen Irlands noch nie ein Premierminister von Fine Gael in eine zweite Amtszeit gewählt wurde. Offiziell ist sein Ziel weiterhin, die Koalition mit Labour fortzusetzen.

Reicht es wie erwartet nicht für die beiden, müsste er entweder viele von den unabhängigen Kandidaten für ein Bündnis gewinnen oder Neuwahlen ausrufen - oder eben den historischen Schritt gehen und versuchen, ein Bündnis mit Fianna Fáil zu bilden.

Als wahrscheinlich gilt das nicht, aber immerhin waren Enda Kenny und sein Widersacher Micheál Martin in dem ereignisarmen Wahlkampf auffallend freundlich zueinander. Die Stimmen werden ab Samstagmorgen von Hand gezählt, mit einem Ergebnis wird im Laufe des Tages gerechnet.

© SZ vom 26.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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