Paletten werden gebraucht, um Obstkartons von A nach B zu befördern. Oder Boxen voller Radiergummis. Oder Kisten mit Wein oder Schachteln mit Schokolade. Geld hingegen ist eher selten auf Paletten zu finden. Geld wird überwiesen - nicht mit dem Gabelstapler herumgefahren.
Es sei denn, die US-Regierung will einem langjährigen Erzfeind Geld zukommen lassen: Iran. Eine Menge Geld, eine große Menge. 400 Millionen Dollar, um genau zu sein. Weil die beiden Länder wegen der Sanktionspolitik der USA keine Bankverbindung unterhalten, musste ein Flugzeug her, gefüllt mit Bargeld. 400 Millionen Dollar auf Paletten. Aufgeteilt, so berichten es US-Medien, in Schweizer Franken, Euro und andere ausländische Währungen.
Die US-Regierung kann darin nichts Spektakuläres erkennen. Die Fantasie der wahlkämpfenden Republikaner aber wird von der Geschichte beflügelt. Ihr Präsidentschaftskandidat Donald Trump wittert einen "Skandal", für den seine demokratische Rivalin und ehemalige Außenministerin Hillary Clinton verantwortlich sei. Seine Parteifreunde Marco Rubio und Paul Ryan halten die Zahlung für ein "Lösegeld" und kritisieren, die Regierung bezahle Terroristen.
Ihr Argwohn speist sich aus einer Überschneidung mehrerer Ereignisse: Als im Januar das Geldflugzeug in Teheran landete, wurden etwa zeitgleich vier US-Amerikaner aus iranischer Haft entlassen - und das Atomabkommen mit Iran offiziell in Kraft gesetzt.
War das Zufall?
Ja, sagt die US-Regierung. Bei den 400 Millionen Dollar handle sich um eine Rückzahlung für einen geplatzten Waffendeal zu Zeiten des iranischen Schah-Regimes (1941 bis 1979). Ein Tribunal in Den Haag, das von beiden Ländern eingesetzt worden war, hatte die USA zur Erstattung von 1,7 Milliarden Dollar verdonnert. Die 400 Millionen Dollar sind die erste Tranche.
Iran hatte in den 1970er Jahren das Geld auf ein Konto in den USA überwiesen, um damit von den Amerikanern Militär-Equipment zu kaufen. Als der prowestliche Schah 1979 von der Islamischen Revolution gestürzt wurde, froren die USA das Konto ein - und lieferten keine Waffen. Deshalb nun die Erstattung.
Das Weiße Haus betont im Übrigen, US-Präsident Barack Obama habe den Transfer schon im Januar bekannt gegeben. Neu sei, wenn überhaupt, nur der ungewöhnliche Überbringungsweg.
Trump und andere Republikaner, ohnehin große Fans von Verschwörungstheorien, ficht das nicht an. Der Kandidat sagt, die Zahlung sei entweder ein Lösegeld - und die Amerikaner zahlen offiziell keine Lösegelder, sie verhandeln nicht mit "Terroristen". Oder Obama habe damit die Zustimmung Irans zum Atomabkommen erkauft. In jeden Fall sei Hillary Clinton schuld, sie habe als Außenministerin den Deal angestoßen. "Es war unsere inkompetente Außenministerin Hillary Clinton, die die Gespräche zur Zahlung von 400 Millionen Dollar in bar an Iran startete!" Ist da was dran?
Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von X Corp. angereichert
Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von X Corp. angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.
Die Washington Post hat sich genauer angesehen, ob die Vorwürfe haltbar sind. Zumindest im Falle Clintons heißt es da klar: nein. Clinton habe einen Deal zur Rückzahlung der 400 Millionen Dollar als Außenministerin gar nicht einfädeln können, denn da war sie noch nicht im Amt. Iran pochte seit den 1980er Jahren auf eine Rückgabe des Geldes.
Im Januar 2016, als Obama die Rückzahlung verkündete, war Clinton nicht mehr im Amt. Und was das Atomprogramm und Clinton angeht: Clinton leitete die Gespräch zwischen Iran und USA zwar ein. Doch bei Abschluss des Abkommens war sie schon längst nicht mehr Außenministerin.
Welche Zusammenhänge könnte es also zwischen der Zahlung und dem Atom-Deal geben? Es könne sein, dass es ohne ein Abkommen nicht zu der Zahlung gekommen wäre, heißt es in der Washington Post. Doch das sei reine Spekulation. Als Iran sein Geld seit 1981 zurückforderte, war ein Atomabkommen mit dem Westen Zukunftsmusik.
Und der Lösegeld-Verdacht? Die US-Regierung verneint das ausdrücklich. Aber schon mit dem Vorwurf treffen die Republikaner einen wunden Punkt: In den USA wird seit Jahren diskutiert, ob man für die Freilassung von US-Geiseln oder inhaftierter US-Bürger zahlen sollte. Die Politik hat sich darauf geeinigt, dass nicht gezahlt wird. So soll eine Art Geiselnahme-Lösegeld-Industrie verhindert werden. Die USA halten sich offiziell daran. Ob die US-Regierung unter der Hand trotzdem Lösegelder zahlte, ist nicht bewiesen.
Für Trump ist die Sache klar, Beweise hin oder her: "Wir haben 400 Millionen Dollar für die Geiseln gezahlt. So einen schlimmen Präzedenzfall hat Obama geschaffen. Wir haben noch zwei weitere Geiseln, stimmt's? Was werden wir für die zahlen? Was wir tun, ist krank", zitiert ihn CNN.
Für weiteren Gesprächsstoff im Wahlkampf dürfte damit gesorgt sein.