Mohsen Fakhrizadeh:Tödlicher Anschlag auf iranischen Nuklearwissenschaftler

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Der Tatort in Absard, östlich von Teheran: Iranischen Staatsmedien zufolge starb Mohsen Fakhrizadeh, nachdem sein Auto mit einem Sprengsatz attackiert und beschossen wurde. (Foto: Uncredited/dpa)

Der Atomphysiker Mohsen Fakhrizadeh, auch "Vater der iranischen Bombe" genannt, stirbt nach einem Attentat auf sein Auto. Teheran beschuldigt Israel - und droht mit Rache.

Von Paul-Anton Krüger, München

Nach übereinstimmenden Berichten iranischer Staatsmedien ist die wichtigste Figur des militärischen Atomprogramms der Islamischen Republik am Freitag bei einem Anschlag getötet worden. Das Auto von Mohsen Fakhrizadeh sei von "Terroristen" in der Nähe der Ortschaft Absard östlich von Teheran mit einem Sprengsatz attackiert und anschließend mit automatischen Waffen beschossen worden, meldete die halbamtliche Nachrichtenagentur Fars, die enge Verbindungen zu den Revolutionsgarden hat.

Das Verteidigungsministerium in Teheran bestätigte den Tod Fakhrizadehs am Freitagnachmittag; Fakhrizadeh hatte ein dem Ministerium angegliedertes Institut geleitet. Die "Organisation für Innovation und Forschung in der Verteidigung" gilt westlichen Geheimdiensten als Tarnorganisation, in der Aspekte des militärischen Atomprogramms fortgeführt worden sein sollen.

Die Spannungen in der Golfregion dürften sich massiv verschärfen

Damit dürften sich die Spannungen in der Golfregion kurz vor dem Ende der Amtzeit von US-Präsident Donald Trump nochmals massiv verschärfen. Hossein Deghan, ein früherer Verteidigungsminister und militärischer Berater des Obersten Führers Ayatollah Ali Khamenei, kündigte an, Iran werde Rache nehmen an jenen, die für Fakhrizadehs Tod verantwortlich seien. Er insinuierte, Israel versuche in den "letzten Tagen des politischen Lebens ihres zockenden Verbündeten" einen Krieg mit Iran vom Zaun zu brechen.

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Außenminister Mohammad Jawad Sarif sprach in einer Twitter-Nachricht von einem "Akt von Staatsterrorismus" sowie "ernsten Hinweisen auf eine israelische Rolle", ohne dies näher auszuführen oder zu belegen. Auch Präsident Hassan Rohani machte Israel für den Anschlag verantwortlich. Im staatlichen Fernsehen sagte er: "Die Ermordung des Märtyrers Fakhrisadeh zeigt die Verzweiflung unserer Feinde und die Tiefe ihres Hasses. Sein Martyrium wird unsere Erfolge nicht verlangsamen."

Auch der iranische Atomchef Ali-Akbar Salehi kündigte an, der Mord werde den Fortschritt des Atomprogramms im Land weder aufhalten noch beeinträchtigen. "Der Weg Fakhrizadehs wird jetzt erst recht noch intensiver fortgesetzt."

UN-Generalsekretär António Guterres mahnte in der Nacht Zurückhaltung an. Man habe Berichte über den Vorfall zur Kenntnis genommen, teilte UN-Sprecher Farhan Haq in New York mit. "Wir fordern Zurückhaltung und sehen es als notwendig an, dass Maßnahmen vermieden werden, die zu einer Eskalation der Spannungen in der Region führen könnten."

Fakhrizadeh und seine Begleiter wurden laut der Agentur Fars sofort in ein Krankenhaus gebracht, er habe aber nicht gerettet werden können. Unklar blieb, ob weitere Menschen starben. Laut Augenzeugen hätten mehrere Angreifer das Auto beschossen. Fakhrizadehs Leibwächter hätten drei oder vier von ihnen getötet.

Seltenes Foto: Mohsen Fakhrizadeh (rechts) bei einem Empfang durch Irans Obersten Führer Ayatollah Ali Khamenei im Jahr 2019. Bis Israels Premier Benjamin Netanjahu 2018 ein Bild des Revolutionsgardisten öffentlich gemacht hatte, waren keine Aufnahmen von ihm bekannt. (Foto: WANA NEWS AGENCY/VIA REUTERS)

Der Atomphysiker galt Geheimdienstlern als "most wanted man in Iran" und "Vater der iranischen Bombe". Der General, der 59 Jahre alt wurde, soll sich als junger Mann den Revolutionsgarden angeschlossen haben und maßgeblich daran beteiligt gewesen sein, dass Iran nach Ansicht westlicher Geheimdienste ein komplettes und funktionsfähiges Sprengkopf-Design entwickelt und zumindest Komponenten davon auch getestet hat. Lange hatte er an der Imam-Hussein-Universität in Teheran Physik unterrichtet, einer Kaderschmiede des Militärs. Trotzdem gab es kein öffentlich bekanntes Foto von ihm.

"Merken Sie sich diesen Namen!" hatte Israels Premier Benjamin Netanjahu gesagt

Israels Premierminister Benjamin Netanjahu zeigte dann im Frühjahr 2018 erstmals ein Bild von ihm - Anfang 2017 hatten Agenten des Geheimdienstes Mossad bei einem spektakulären Einbruch in ein Lagerhaus in einem Außenbezirk der iranischen Hauptstadt Zehntausende Seiten von Dokumenten über das geheime militärische Atomprogramm erbeutet. Ein Mann mittleren Alters, braune Haare, Seitenscheitel, Brille - so sah der Vordenker des geheimen iranischen Atomprogramms aus.

Auf den Fotos, die iranische Staatsmedien nun veröffentlicht haben, ist er deutlich gealtert, er trägt eine Brille, die Haare sind grau, ebenso der Bart. Netanjahu sagte damals, Fakhrizadeh habe bis zuletzt unter der Kontrolle des Militärs und mit Wissen höchster Regierungsstellen weitergearbeitet - nicht aber woran genau. "Merken Sie sich diesen Namen!", fügte er hinzu.

Israel lehnte einen Kommentar zu der Tötung zunächst ab. Allerdings ist bekannt, dass es in den vergangenen 15 Jahren mehrmals Pläne der israelischen Geheimdienste gab, Fakhrizadeh umzubringen, wie der Geheimdienstexperte und Journalist Ronen Bergman sagt. Sie seien aber aus verschiedenen Gründen nicht ausgeführt worden.

Mehrere iranische Atomwissenschaftler sind in der Vergangenheit mit Haftminen getötet worden

Mehrere iranische Atomwissenschaftler waren in den vergangenen Jahren bei Anschlägen etwa mit Haftminen getötet worden. Iran hatte dafür immer Israel und die USA verantwortlich gemacht. Im Januar hatten die USA den Revolutionsgarden-General Qassem Soleimani am Flughafen von Bagdad mit einem Drohnen-Angriff getötet. Eine offizielle Stellungnahme der US-Regierung gab es zunächst nicht. Der scheidende US-Präsident Donald Trump teilte auf dem Kurznachrichtendienst Twitter ohne jeden weiteren Kommentar einen Bericht der New York Times über Fakhrizadehs Tod.

Fakhrizadehs zentrale Bedeutung und den Amad-Plan - das geheime Bombenprojekt in Iran - erwähnte schon 2008 prominent der damalige Chefinspektor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Olli Heinonen, in einem Briefing für Mitgliedstaaten. Er fasste damals alle Verdachtsmomente zum militärischen Atomprogramm Irans in einem Dossier zusammen, dessen Veröffentlichung der damalige IAEA-Generaldirektor Mohamed el-Baradei blockierte. Die Wiener Atombehörde hatten Teheran wiederholt gebeten, Fakhrizadeh befragen zu dürfen.

Bekannt war auch, dass Fakhrizadeh nicht in Ruhestand ging, nachdem Irans politische Führung 2003 unter dem Eindruck der US-Invasion im Irak angeordnet hatte, das Projekt einzumotten. Westliche Geheimdienste gingen davon aus, dass er mit einem kleinen Team von einem Dutzend Personen weiterarbeitete, um die Erkenntnisse zu bewahren und durch spezifische Forschung weiter zu vertiefen. Das Team wurde demnach zur Tarnung an der Malek Ashtar University in Teheran angesiedelt und seit 2011 in einem Nachbargebäude untergebracht. Die Forschungsaktivitäten dort, heißt es in einem Bericht der IAEA vom November 2011, könnten "hoch relevant für die Entwicklung eines Sprengkopfes" sein.

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