Irak: Truppenabzug bis 2011:Obamas (un)vollendete Mission

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"Wie versprochen und planmäßig" hält Barack Obama am Truppenabzug aus dem Irak fest. Der blutigste Monat seit zwei Jahren hindert ihn nicht daran, einen Triumph zu feiern. Der US-Präsident ist wieder im Wahlkampfmodus.

Michael König

Der siegreiche Feldherr posierte auf einem Flugzeugträger, hinter ihm wehte ein Banner im Wind: "Mission accomplished", war darauf zu lesen: Mission abgeschlossen. US-Präsident George W. Bush feierte mit dem symbolträchtigen Auftritt am 1. Mai 2003, gut eineinhalb Monate nach dem Einmarsch im Irak, den vermeintlichen Sieg der USA. Er ließ sich in Pilotenkluft fotografieren und reckte beide Daumen in die Höhe. Es war eine verfrühte Party.

US-Präsident Barack Obama bei seiner Rede vor der Veteranen-Konferenz in Atlanta: "Der Charakter des Einsatzes ändert sich." (Foto: AFP)

Mehr als sieben Jahre fallen im Irak noch immer Menschen den Folgen des Krieges zum Opfer. Nach Angaben der irakischen Regierung war der Juli der blutigste Monat seit zwei Jahren. Aus Washington sind trotzdem triumphale Töne zu hören - auch Bushs Nachfolger Barack Obama hält die Mission für abgeschlossen. Zumindest beinahe.

Veränderter Charakter

Der amtierende US-Präsident und Friedensnobelpreisträger verkündete am Montag in Atlanta das Ende des amerikanischen Kampfeinsatzes im Irak am 31. August - "wie versprochen und planmäßig", betonte der Demokrat. Zwar sei die "Zeit amerikanischer Opfer noch nicht vorbei", aber es gebe keinen Zweifel daran, dass sich der Charakter des Einsatzes verändere: "von einer militärischen Anstrengung, geführt von unseren Truppen, zu einem zivilen Einsatz, geführt von unseren Diplomaten".

Bis Ende August soll die Zahl der im Irak stationierten Soldaten von derzeit 65.000 auf 50.000 verringert werden, bekräftigte der Präsident. Die verbleibenden Truppen sollen irakische Soldaten ausbilden und US-Einrichtungen vor Ort beschützen. Zu Obamas Amtsantritt im Januar 2009 waren noch 144.000 Amerikaner im Irak stationiert. Bis Ende kommenden Jahres sollen alle US-Soldaten das Land verlassen haben.

Obama trifft den Nerv

Auf ein wehendes Banner verzichtete Obama genauso wie auf militärisches Kriegsgerät im Hintergrund. Doch seine Rede vor US-Kriegsveteranen im Bundesstaat Georgia geriet derart triumphal, dass sie an Bushs Auftritt auf dem Flugzeugträger erinnerte. "Als Präsidentschaftskandidat habe ich versichert, den Krieg im Irak auf verantwortliche Weise zu beenden", sagte der Präsident. Nun sei es so weit.

Obama hatte den Irakkrieg in der Vergangenheit als "dumm" bezeichnet. Nun, pünktlich vor den Kongresswahlen im November, will er zeigen, dass er die Macht hat, ihn zu beenden. Damit trifft er den Nerv der Bevölkerung: Amerikanische Medien zitieren aus Umfragen, wonach jetzt mehr als die Hälfte der Amerikaner gegen den Krieg sind. 55 Prozent der Befragten seien der Meinung, der Krieg habe sich nicht gelohnt.

Verbale Giftpfeile

Für den Präsidenten war es eine seltene Möglichkeit, sich in einem positiven Licht zu zeigen. Der schon vor seiner Vereidigung als Superstar gefeierte Demokrat hatte damit zuletzt große Mühe. Als Umweltschützer gestartet, reiste er zuletzt an die verseuchten Strände am Golf von Mexiko, um die Folgen der schlimmsten Ölpest aller Zeiten in Augenschein zu nehmen. Verbale Giftpfeile in Richtung des schuldigen BP-Konzerns zeugten von einer gewissen Hilflosigkeit des Präsidenten.

In der Außenpolitik musste Obama den Abgang seines Afghanistan-Kommandeurs Stanley McChrystal verkraften, der in einem Interview über die "Weicheier im Weißen Haus" gelästert hatte. Obama setzte ihn daraufhin vor die Tür und übergab David Petraeus die Führung - einem General aus der Bush-Ära.

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Zuletzt zeichneten die auf der Internetplattform Wikileaks enthüllten Geheimdokumente ein düsteres Bild der Lage in Afghanistan. Von einem Ende der Mission dort mochte Obama am Montag nicht reden, sprach aber immerhin von "Fortschritten" trotz "gewaltiger Herausforderungen".

Der Präsident ist im Wahlkampf, da werden Probleme schöngeredet - und wenn missliebige Zahlen im Umlauf sind, veröffentlichen die Strategen des Präsidenten eben andere. Während die irakische Regierung vom blutigsten Monat seit zwei Jahren spricht und 535 Tote beklagt, will das Weiße Haus nur 222 Opfer gezählt haben. "Die Gewalt im Irak ist auf dem niedrigsten Niveau seit Jahren", sagte Obama in seiner Rede in Atlanta.

"Ich halte das für einen Fehler"

Ein Sprecher des Weißen Hauses fügte am Montag hinzu, es sei wichtig, "sich auf den echten Erfolg zu konzentrieren, den die Iraker beim Aufbau der Demokratie haben". Dass sich kurdische, schiitische und sunnitische Gruppierungen im Lande seit der Parlamentswahl vor fünf Monaten bislang nicht auf eine Regierung einigen konnten, wurde dabei ausgeblendet.

Selbst liberale Medien, die Obama in Wahlkampfzeiten üblicherweise zugeneigt sind, wollen diese Interpretation nicht gelten lassen. Das Washingtoner Blog Politico zitiert ausgerechnet John Bolton, einen früheren Botschafter der USA bei den Vereinten Nationen aus der Bush-Ära, der Obamas Truppenabzug kritisiert: "Ich halte die Entscheidung, den Abzug der Kampftruppen fortzuführen, um eine frühere Frist zu erreichen, für einen Fehler."

Feindliche Flagge

Wie wackelig die Sicherheitslage im Irak tatsächlich ist, zeigten Meldungen vom Dienstag: Bei einem Überfall auf einen Polizei-Kontrollpunkt in der Hauptstadt Bagdad seien fünf irakische Polizisten getötet worden, meldete das dortige Innenministerium. Die Angreifer hätten an dem Kontrollpunkt die Flagge einer al-Qaida-nahen Gruppe gehisst.

Obama und Vizepräsident Joe Biden werden den US-Einsatz im Irak in den kommenden Wochen und Monaten dennoch hartnäckig als Erfolg verkaufen - die Kongresswahlen nahen und zahlreiche Medien prophezeien einen deutlichen Sieg der Republikaner. Derzeit haben im Kongress die Demokraten eine komfortable Mehrheit. Um die zu halten, wird Obama vermutlich einiges unternehmen - von einem Auftritt auf einem Flugzeugträger einmal abgesehen.

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