Irak:Fakten schaffen mit Haubitzen

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In Kolonne Richtung Mossul: Irakische Spezialkräfte auf dem Weg in den Vorort Tob Zawa. (Foto: Khalid Mohammed/AP)

Die Türkei beteiligt sich nun doch am Vormarsch gegen die Terrormiliz IS. Bagdad bestreitet dies, doch das hat womöglich taktische Gründe.

Von Moritz Baumstieger und Paul-Anton Krüger, München/Erbil

Seit Wochen streiten die Regierungen der Türkei und des Irak darüber, ob türkische Soldaten an der Befreiung von Mossul beteiligt werden könnten, der von der Terrormiliz Islamischer Staat gehaltenen Millionenstadt im Norden des Irak. Dieser Streit geht nun weiter, nur bemühen beide Seiten seit Sonntagabend nicht mehr den Konjunktiv: Da verkündete der türkische Ministerpräsident Binali Yıldırım, dass türkische Truppen im irakischen Baschika "Artillerie, Panzer und Haubitzen" gegen die Dschihadisten des IS eingesetzt haben - auf Bitten der kurdischen Peschmerga. Am Montagmorgen kam die Widerrede aus dem Irak: Ein Sprecher des obersten Einsatzkommandos der Armee dementierte eine "türkische Beteiligung jeder Art an dem Einsatz zur Befreiung von Ninive". Ninive heißt die Provinz, deren Hauptstadt Mossul ist.

Auch die kurdischen Peschmerga widersprachen. Von türkischem Feuer auf den IS in Baschika sei ihm nichts bekannt, sagte der kurdische Generalmajor Bahram Doski der Süddeutschen Zeitung bei einem Besuch an der Front. Der vom IS gehaltene Ort ist großteils von kurdischen Einheiten umstellt, Doski kommandiert hier 2000 Kämpfer. Sein Dementi könnte jedoch politische Gründe haben, um die Regierung in Bagdad nicht zu brüskieren - Premierminister Haider al-Abadi wehrt sich seit längerem gegen die türkischen Wünsche nach Beteiligung. Zuletzt versuchte sich der US-Verteidigungsminister Ashton Carter in einer Art Pendeldiplomatie zwischen Ankara und Bagdad, doch letztlich lehnte al-Abadi ab. Allen Dementis zum Trotz scheint die Türkei nun Fakten geschaffen haben: Am Montag gab der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu Details zum Einsatz seiner Soldaten bekannt, 17 Kämpfer der IS habe man getötet, sagte Çavuşoğlu bei einem Besuch seines französischen Kollegen Jean-Marc Ayrault in Ankara.

Die sunnitisch geprägte Türkei möchte durch eine Beteiligung an der Offensive verhindern, dass nach der Eroberung von Mossul schiitische Milizen die Kontrolle in der Stadt übernehmen. Ebenso großes Unbehagen hätte Ankara, wenn die irakischen Kurden die Millionenstadt in ihr Autonomiegebiet eingliedern. Zur dort regierenden Demokratischen Partei Kurdistans (DPK) hat die Türkei zwar ein besseres Verhältnis als zu den Kurden im eigenen Land und jenen in Syrien, die der als Terrororganisation verfolgten PKK nahe stehen. Stärker als nötig will man die Regierung in Erbil aber auch nicht werden lassen.

Um Milizen zum Kampf gegen den IS auszubilden, unterhält die Türkei seit 2015 eine Basis in der Region Mossul, nahe eben jenem Städtchen Baschika, in dem Ankara nun in die Offensive gegen die Dschihadisten eingegriffen haben will. In dem Stützpunkt sind etwa 700 türkische Soldaten stationiert, Bagdad verlangt ihren Abzug - auch, weil aus der Türkei immer wieder Anspielungen auf das Osmanische Reich kommen, das auch Mossul umfasste. Korrespondenten verschiedener Agenturen hatten seit Beginn der Offensive beobachtet, dass türkische Soldaten von der Basis auf IS-Stellungen gefeuert haben. Dass die Türkei den Stützpunkt künftig aber auch für andere Operationen nutzen will, erklärte nun Außenminister Çavuşoğlu: Er kündigte einen verstärkten Kampf gegen kurdische PKK-Einheiten an, die sich im Irak verstecken.

© SZ vom 25.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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