Irak: Abzug der US-Truppen:Armee mit Schwachstellen

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Wenn 2011 die letzten US-Soldaten aus dem Irak abgezogen sind, sollen 238.000 irakische Soldaten die Sicherheit im Land garantieren. Doch es gibt große Zweifel, ob sie das schaffen können.

Janek Schmidt

Der Name ist voller Poesie, doch dahinter verbergen sich außer Hoffnung auf eine bessere Zukunft auch Ungewissheit und Gewalt. "Operation Neue Morgenröte" hat die US-Regierung den künftigen Irak-Einsatz getauft, der nun nach dem Abzug der amerikanischen Kampftruppen beginnt. Ob sich aber die 50.000 verbliebenen US-Soldaten im Land tatsächlich auf die Ausbildung des irakischen Militärs beschränken können, ist fraglich. Denn die nationalen Sicherheitskräfte haben mehrere Schwachpunkte, die innere und äußere Feinde zunehmend ausnutzen.

Ein irakischer Soldat auf Patrouille in der Haupstadt Bagdad. Bald soll das irakische Militär dort allein für Sicherheit sorgen.   (Foto: dpa)

Die drängendste Gefahr kommt vom Terrornetzwerk al-Qaida. Zwar ist es Sicherheitskräften gelungen, zusammen mit Stammesverbänden, den "Söhnen des Irak" genannten Sahwa-Milizen, al-Qaida seit 2007 zu schwächen. Doch je mehr sich die USA zurückziehen, desto weniger unterstützt die schiitische Regierung die sunnitischen Söhne des Irak. Die Enttäuschung bei den Stammeskämpfern versucht die ebenfalls sunnitische al-Qaida zu nutzen.

So warnte kürzlich Scheich Sabah al-Dschanabi, ein regionaler Anführer der Söhne des Irak, dass 100 seiner 1800 Kämpfer seit zwei Monaten ihr Gehalt nicht mehr abholten, da sie zu den Extremisten übergelaufen seien. "Ich kenne jeden Menschen in meinem Viertel und weiß, wem ihre Loyalität gilt", sagte er der britischen Zeitung Guardian, "hier hat al-Qaida ein großes Comeback gestartet."

Auf solche Warnungen erwidern US-Armeeausbilder, dass die 238.000 irakischen Soldaten gut auf die Bedrohungen von al-Qaida reagieren könnten. Zwar liegt die Truppenzahl unter der Marke von 500.000 Soldaten aus der Zeit vor der US-Invasion 2003.

Doch sei die Armee nun besser ausgebildet. Falls sie dennoch Unterstützung benötigt, können US-Truppen auf Anfrage der Iraker mit den Raketen und Panzern, über die sie weiterhin verfügen, einschreiten und Überwachungsflüge sowie Luftunterstützung für kämpfende irakische Truppen liefern. Zudem gehören zu den 50.000 noch stationierten US-Truppen weiterhin 4500 Soldaten aus Spezialeinheiten, die irakischen Sonderkommandos bei ihrer Jagd nach Terroristen helfen.

Jedoch ist dieser Einsatz politisch brisant, da Iraks stärkste Anti-Terror-Einheit direkt dem amtierenden Premier Nuri al-Maliki untersteht. Der Regierungschef finanziert die Elitesoldaten aus Mitteln, die dafür aus dem Verteidigungsministerium abgezogen werden. Kritiker Malikis monieren, dass er auch über die restlichen Truppen größeren Einfluss habe als der Verteidigungsminister.

"Das Problem beginnt nach dem Jahr 2011"

Dies ist insbesondere problematisch, da sich Maliki seit der Parlamentswahl im März jeglichem Kompromiss bei der Regierungsbildung verweigert, der ihn sein Amt kosten würde. Sollte der schiitische Premier die Armee für die Stärkung seiner Position bei den Verhandlungen einsetzen, stiegen auch die Spannungen zwischen sunnitischen und schiitischen Truppen sowie den in die Armee eingegliederten kurdischen Peschmerga-Verbänden.

Die lauteste Warnung vor dem Abzug der Amerikaner kommt jedoch aus der irakischen Armee selbst. Derzeit sei die Sicherheitslage gut, weil das Abkommen zur Truppenstationierung mit den USA vorsehe, dass die verbliebenen 50.000 Soldaten erst Ende 2011 den Irak verlassen, sagte der irakische Oberbefehlshaber, General Babaker Zebari, vergangene Woche. "Aber das Problem beginnt nach dem Jahr 2011", warnte er, "sollte mich jemand fragen, würde ich sagen: Die US-Truppen müssen so lange bleiben, bis die irakische Armee im Jahr 2020 vollständig bereit ist."

Auch amerikanische Ausbilder räumen ein, dass Iraks Militär nach den Fortschritten bei der inneren Sicherheit noch große Schwächen bei der Verteidigung der Landesgrenzen habe. Insbesondere die Luftwaffe ist unterentwickelt. Zwar bestellte die Regierung in Bagdad im März ihre ersten 18 amerikanischen F-16-Kampfflugzeuge, doch werden diese nicht vor 2013 eintreffen. So warnte der oberste US-Ausbilder für Iraks Luftstreitkräfte, Brigadegeneral Scott Hanson, vergangene Woche in der Los Angeles Times: "Ich würde sagen, dass wir die ersten fünf Jahre eines zehn bis 15 Jahre langen Programms absolviert haben."

In Washington wächst indes der Widerstand gegen die Kosten des weiteren Einsatzes. Nachdem die USA bislang 18 Milliarden Dollar für die Verstärkung der irakischen Sicherheitskräfte ausgegeben haben, halbierte der Senat eine Anfrage des Pentagons für weitere Hilfen im Jahr 2011 von zwei Milliarden auf eine Milliarde Dollar. Zwar wehrt sich das US-Verteidigungsministerium weiterhin gegen die Kürzung, doch findet die entscheidende Entwicklung ohnehin in Bagdad statt.

US-Präsident Barack Obama hat bereits zu verstehen gegeben, dass er einer Verlängerung des Einsatzes über 2011 hinaus nur auf Einladung der irakischen Regierung zustimmen würde. Für die Politiker in Bagdad könnte dies nach einer Regierungsbildung zu einer unangenehmen Entscheidung werden - insbesondere wenn auch der künftige Premier unter dem Einfluss aus Iran steht.

© SZ vom 20.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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