Polizeivertreter aus 194 Staaten haben den neuen Interpol-Chef gewählt. Der Südkoreaner Kim Jong-yang wurde an diesem Mittwoch von den Deligierten für zwei Jahre zum neuen Präsidenten der internationalen Polizeiorganisation bestimmt. Das teilte Interpol über Twitter mit. US-Außenminister Mike Pompeo hatte sich offensiv für den Koreaner eingesetzt. Gewählt wird der Präsident von der Generalversammlung Interpols, wo jedes Mitgliedsland eine Stimme hat.
Der 57-Jährige hatte die Organisation übergangsweise in den vergangenen Wochen geleitet. Der bisherige Interpol-Chef, der Chinese Meng Hongwei, war Ende September in sein Heimatland gereist. Seine Frau meldete ihn daraufhin als vermisst.
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Erst Tage später informierte Peking Interpol darüber, dass Meng von seinem Posten zurücktrete. Gegen ihn werde wegen des Verdachts ermittelt, "Bestechungsgelder angenommen" zu haben und in illegale Aktivitäten verwickelt gewesen zu sein. Kim komplettiert nun die Amtszeit des Chinesen bis 2020.
Auch der Russe Alexander Prokoptschuk galt vor der Wahl als aussichtsreicher Kandidat. Der Kreml hatte sich hinter den bisherigen Vize-Interpol-Chef gestellt. Die Abstimmung gilt deshalb als herber Rückschlag für Russland. Einige Politiker wie der deutsche Außenpolitiker Norbert Röttgen hielten Prokoptschuk für "unwählbar".
Die Ukraine, die von Russland die Rückgabe der im Jahr 2014 annektierten Halbinsel Krim verlangt, drohte sogar, ihre Mitgliedschaft bei Interpol auszusetzen, sollte Prokoptschuk gewählt werden. Auch verschiedene US-Senatoren und Litauen hatten zuvor vor der Wahl von Prokoptschuk gewarnt. Er ist seit 2016 Vizepräsident der Polizeiorganisation. Russland warf den USA vor, die Abstimmung beeinflussen zu wollen.
Vorwurf des Missbrauchs
Die Gegner einer Wahl Prokoptschuks erklärten im Vorfeld der Wahl, ein solcher Schritt werde dazu führen, dass Moskau Regierungskritiker mit Hilfe von Interpol noch stärker verfolgen werde als in der Vergangenheit.
Zwei prominente Kreml-Kritiker - der frühere Oligarch Michail Chodorkowski und der britische Geschäftsmann Bill Browder - luden am Dienstag zu einer Pressekonferenz in London ein, um vor der Wahl Prokoptschuks zu warnen. Beide wiesen darauf hin, dass Interpol in der Vergangenheit von Russland dazu missbraucht worden sei, sie bei Auslandsreisen willkürlich festhalten zu wollen. "Ich kann mir keine ungeeignetere Person vorstellen als den Architekten des Missbrauchs, der von Interpol gegen mich ausging", sagte Browder.
Interpol wurde in der Vergangenheit immer wieder vorgeworfen, dass die Organisation von Staaten mit rechtsstaatlichen Defiziten dazu missbraucht werde, gegen politische Gegner vorzugehen. Denn Interpol dient als eine Art Meldestelle für die nationalen Polizeidienste, die Verdächtige außerhalb der eigenen Grenzen festnehmen wollen. Die Ersuchen um Festnahme, sogenannte Red Notices, gehen an alle Mitglieder mit dem Ziel, einen Verdächtigen festzunehmen und später auszuliefern.
Sensibler Zeitpunkt
Der Präsidentenposten bei Interpol hat im Vergleich zum Amt des Generalsekretärs allerdings eher zeremonielle Bedeutung. Die Entscheidungen im Tagesgeschäft trifft vielmehr Generalsekretär Jürgen Stock am Sitz der Sitz der Organisation in Lyon. Bevor der deutsche Jurist und Kriminalbeamte 2014 zu Interpol wechselte war er Vizepräsident des Bundeskriminalamtes.
Hätte Prokoptschuk die Wahl zum neuen Interpol-Präsidenten für sich entschieden, wäre das allerdings zu einem sensiblen Zeitpunkt für die Organisation geschehen. Denn Stock hatte zuletzt etliche Reformen erarbeiten lassen, um den Missbrauch Interpols durch autokratisch regierte Staaten einzudämmen. Die Umsetzung der neuen Regeln hätte durch einen russischen Interpol-Präsidenten behindert werden können, warnten Beobachter deshalb im Vorfeld der Wahl: "Der Einfluss des Interpol-Präsidenten auf konkrete Fahndungen ist tatsächlich gering", sagte Jago Russell, Geschäftsführer der britischen Nichtregierungsorganisation Fair Trials zu SZ.de. "Doch wäre Prokoptschuk tatsächlich Interpol-Chef geworden, hätte er versuchen können, Reformen zu blockieren - etwa, indem er sie von der Tagesordnung der Generalversammlungen" streicht."