Die vom Kosovo erklärte Unabhängigkeit von Serbien verstößt nach einer Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs nicht gegen das Völkerrecht und ist somit rechtens.
"Die Erklärung vom 17. Februar 2008 hat das allgemeine internationale Recht nicht verletzt", verkündete IGH-Präsident Hisashi Owada bei der Verlesung des Rechtsgutachtens. Das internationale Recht kenne kein Verbot von Unabhängigkeitserklärungen, fügte Owada hinzu. Auch habe der UN-Sonderbeauftragte für das Kosovo, Finnlands Ex-Präsident Martti Ahtisaari, seinerzeit ausdrücklich die Unabhängigkeit des Kosovo als einzigen möglichen Weg empfohlen.
Die Stellungnahme des Internationalen Gerichtshofs (IGH) in Den Haag war mit großer Spannung erwartet worden. Sie ist rechtlich für keine Seite bindend, jedoch von großer politischer Bedeutung für die Zukunft der einstigen serbischen Provinz. Das letzte Wort hat die UN-Vollversammlung.
Besonders Unabhängigkeitsbewegungen weltweit hatten auf ein entsprechendes Urteil gehofft. Allerdings hatten Fachleute erwartet, dass die Richter vermeiden würden, einen Präzedenzfall zu schaffen, der andere Minderheiten veranlassen könnte, ebenfalls ihre Unabhängigkeit zu erklären. Die eindeutige Stellungnahme zugunsten des Kosovo ist deshalb eine Überraschung.
69 Staaten, darunter die USA und 22 der 27-EU-Mitgliedstaaten, haben die Unabhängigkeit des Kosovo bereits anerkannt. Deutschland hat sogar schon einen Botschafter nach Pristina geschickt.
Serbien betrachtet das Kosovo dagegen noch immer als eigene Provinz und wird von etwa 120 Ländern unterstützt, darunter Russland und China. Seitdem das Verfahren vor dem IGH läuft, haben keine weiteren Staaten die Unabhängigkeit des Kosovo anerkannt.
Die ehemalige serbische Provinz war nach den Kämpfen zwischen der Befreiungsarmee des Kosovo (UCK) und der jugoslawischen Armee (1998-99) unter UN-Verwaltung gestellt worden, nachdem die Nato mit Luftangriffen die serbischen Soldaten vertrieben und den Kriegsverbrechen an der albanischen Bevölkerung ein Ende gesetzt hatten.
Territoriale Integrität und das Recht auf Selbstbestimmung
Im Februar 2008 hatte das Kosovo sich für unabhängig erklärt, nachdem die Mehrheit der überwiegend albanischstämmigen Bevölkerung in einem Referendum dafür gestimmt hatte. Internationale Gespräche zum Status der Region waren zuvor gescheitert.
Auf Betreiben Belgrads hatte die UN-Vollversammlung im Oktober 2008 mit einer knappen Mehrheit beim IGH das jetzt veröffentlichte Rechtsgutachten zu der Frage in Auftrag gegeben.
Die Entscheidung darüber, ob die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo im Einklang mit dem Völkerrecht steht, galt als heikel. Die Richter mussten abwägen, wie das Recht der Staaten auf territoriale Integrität und das Recht der Menschen auf Selbstbestimmung zueinander stünden, erklärte die Völkerrechtsexpertin Bibi van Ginkel vom Niederländischen Institut für internationale Beziehungen - Clingendael in Den Haag. "Beide sind fundamentale internationale Rechte."
Die Befürworter der Unabhängigkeit hatten zu bedenken gegeben, dass bei Verfolgungen wie im Kosovo eine Autonomie innerhalb des Staates nicht möglich sei. Die Serben hätten die Albaner gewissermaßen in die Unabhängigkeit getrieben. Gegner der Unabhängigkeit des Kosovo halten jedoch grundsätzlich eine Zustimmung beider Konfliktparteien und der UN für zwingend notwendig.
Die Richter des IGH hatten die Meinung zahlreicher Länder zu dieser Frage angehört. So zum Beispiel der USA und auch Chinas, das selbst einige Regionen hat, die zumindest nach größerer Autonomie streben.
China hatte sich gegen die Unabhängigkeit des Kosovo ausgesprochen: Es sollte integraler Bestandteil Serbiens bleiben, so die Forderung des chinesischen Juristen Xue Hanqin. Kein Staat könne es akzeptieren, dass sich ein Teil ohne Konsens von ihm löse.
Die USA wiederum hatten die Unabhängigkeit des Kosovo unterstützt. Die Vereinigten Staaten seien selbst ein Land, das vor zwei Jahrhunderten aus einer Unabhängigkeitserklärung heraus geboren wurde, sagte der der US-Vertreter vor dem Gerichtshof, Harold Koh. Serbien wolle die Uhr zurückdrehen und einen Prozess untergraben, der der Region Stabilität gebracht habe.