Preissteigerungen:Inflation trifft vor allem Geringverdiener

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Im Herbst fällt der Tankrabatt weg und das Neun-Euro-Ticket läuft aus. Dafür kommt die Gasumlage, das wird die Preise nochmals in die Höhe treiben. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Die hohen Energiekosten dürften im Winter besonders Menschen mit kleinen Einkommen belasten. Der SPD-Fraktionsvize verlangt Direktzahlungen an Bedürftige.

Von Roland Preuß, Berlin

Es ist noch lange nicht vorbei. Im Juli, so meldete das Statistische Bundesamt am Mittwoch, sei die Inflationsrate leicht gesunken, um 7,5 Prozent stiegen die Verbraucherpreise, im Juni waren es noch 7,6 Prozent gewesen. Aber das wird nicht so bleiben. Anfang September läuft der Tankrabatt aus, auch das Neun-Euro-Ticket dürfte zumindest in seiner jetzigen Form wegfallen. Und im Oktober kommt dann noch die Umlage hinzu, die Gaskunden für klamme Energie-Unternehmen leisten müssen - all das wird die Preise zusätzlich nach oben treiben. Die Preissteigerung jetzt sei nur ein "Zwischentief", sagt Sebastian Dullien, der wissenschaftliche Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). "Insgesamt könnte damit die Inflationsrate im Winter die Zehn-Prozent-Marke erreichen", sagt er. Andere Ökonomen sehen das ähnlich.

In Berlin befeuern diese Aussichten die Debatte über zusätzliche Entlastungen für inflationsgepeinigte Bürger. Die große Streitfrage: Für wen soll es mehr Geld geben - und wann? Die Zielvorgabe bei SPD und Grünen lautet, man müsse möglichst gezielt Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen entlasten. "Wir müssen schon parallel zum Start der Gasumlage im Herbst Entlastungen organisieren", sagte Andreas Audretsch, Fraktionsvize der Grünen im Bundestag, der Süddeutschen Zeitung. "Der Fokus muss auf Menschen liegen, die ein kleines oder mittleres Einkommen haben, auf Hartz-IV-Beziehenden und auf denen im Ruhestand mit geringen Renten", sagt Audretsch.

SPD-Fraktionsvize Achim Post sagt, die hohen Energie- und Lebensmittelpreise träfen vor allem kleine und mittlere Einkommen, diese müssten unterstützt werden. "Und das absehbar auch noch einmal verstärkt in diesem Jahr." Dafür seien Direktzahlungen das beste Mittel - so wie das die Ampelkoalition mit dem Familienzuschuss oder der Energiepreispauschale bereits auf den Weg gebracht habe.

Die bisherigen Entlastungspakete der Bundesregierung summieren sich auf etwa 30 Milliarden Euro und umfassen zum Beispiel den Bonus von jeweils 100 Euro pro Kind und eine Energiepreispauschale von 300 Euro für jeden einkommenssteuerpflichtigen Erwerbstätigen. Das ist die Art von Direktzahlungen, die SPD-Mann Post für das beste Instrument hält. Erwachsene Hartz-IV-Bezieher erhalten im Sommer einen Zuschuss von 200 Euro, Kinder und Jugendliche in der Grundsicherung von Juli an 20 Euro zusätzlich im Monat.

Wer wird von den Preissteigerungen besonders hart getroffen? Das IMK von Sebastian Dullien hat dies ausgerechnet und kommt zu dem nicht ganz unwichtigen Ergebnis, dass die Hilfen der Bundesregierung die Preissteigerungen bei Hartz-IV-Empfängern besonders gut abfedern. 90 Prozent übernehme der Staat bei Singles, bei einem Paar mit zwei Kindern sei es sogar noch etwas mehr. Das liegt nicht daran, dass die 200 Euro Einmalzuschuss so großzügig sind, sondern daran, dass der Staat bei Hartz-IV-Beziehern grundsätzlich die Kosten für Miete und Heizung übernimmt - und hier die gestiegenen Preise schultert. "Der Großteil der Inflation geht auf die höheren Energiekosten zurück, vor allem auf das Gas. Und dieses benötigen Verbraucher vor allem zum Heizen", sagt Dullien.

Allerdings: Bei einem Einkommen am Existenzminimum, wie bei Hartz-IV-Beziehern, können selbst geringe Einbußen durch höhere Preise starke Einschränkungen bedeuten. Deshalb möchte Audretsch auch bei dieser Gruppe ansetzen.

Mehr Handlungsbedarf sieht Dullien bei den Bürgerinnen und Bürgern, die kein Hartz IV bekommen, weil ihr Einkommen etwas zu hoch ist. Etwa alleinstehende Niedriglöhner, hier federt der Staat mitunter gerade mal ein Zehntel der Zusatzlasten ab. Oder Paare mit zwei Kindern, bei denen nur ein Elternteil arbeiten geht. Sie bekommen nur knapp die Hälfte vom Staat ausgeglichen. "Für viele aus dieser Gruppe kommt Ende des Jahres noch mal ein richtiger Inflationsschub. Deshalb ist eine baldige Unterstützung für sie nötig, dafür wäre eine Energiepauschale im Dezember gut", sagt Dullien.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) klang am Mittwoch indes nicht so, als wolle er solchen Forderungen nachkommen. Der FDP-Chef pochte in Berlin auf Steuerentlastungen durch einen Ausgleich der kalten Progression. Diese macht sich dann bemerkbar, wenn eine Gehaltserhöhung Erwerbstätigen gerade so die Inflation ausgleicht, sie aber trotzdem mehr Einkommensteuer zahlen müssen. Der FDP-Chef verwies beim Thema Hilfsbedürftige auf das Bürgergeld, das die Lage der Hartz-IV-Bezieher kommendes Jahr "spürbar verbessert". Bisher hatte auch Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) mit Blick auf das Bürgergeld keine weiteren Zuschüsse für Hartz-IV-Bezieher gefordert. Am Mittwoch hieß es aus seinem Ministerium allerdings, man beobachte die Entwicklungen "sehr genau". Sollten die Belastungen weiter anhalten, "könnten auch kurzfristig weitere Entlastungen erforderlich werden".

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