Indien:Mission im Orbit

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Immer für eine Überraschung gut: Indiens Premierminister Narendra Modi – hier dargestellt in Form einer Maske, die ein Anhänger während einer Wahlkundgebung hochhält. (Foto: Adnan Abidi/Reuters)

Der indische Premierminister Narendra Modi wähnt sein Land nach dem Abschuss eines alten Satelliten nun in der "Space Super League".

Von Paul-Anton Krüger und Arne Perras, Delhi

Als Indiens Premier Narendra Modi am Mittwoch um 11.23 Uhr einen Tweet absetzte, dass er gegen Mittag eine "wichtige Botschaft" im Fernsehen zu verkünden habe, war die Nation blitzschnell wachgerüttelt. "Mr Modi, geben Sie uns doch einen Tipp, sollen wir zum Bunker rennen oder lieber zum Geldautomaten?", twitterte ein Inder. Die Unruhe war gewaltig, weil es immer noch starke Spannungen mit Pakistan gibt, die Inder aber auch nicht vergessen haben, dass Modi eines späten Abends seine Bargeldreform ankündigte und erklärte, dass ab Mitternacht fast alle Banknoten mit einem Schlag ungültig würden.

Als Modi dann sprach, musste niemand losrennen. Alle blickten gebannt auf die Schirme und hörten, wie der Premier ein 15-minütiges Loblied auf die "Mission Shakti" anstimmte, von der bis dato noch niemand etwas gehört hatte. Wie Modi sagte, sei sie schon vor einer Weile unbemerkt von der Öffentlichkeit abgewickelt worden. Mission Shakti, das war ein ehrgeiziger militärischer Test: Mit einer neu entwickelten Rakete ist es Indien demnach gelungen, einen alten indischen Satelliten im Orbit abzuschießen. So etwas konnten bisher nur Amerikaner, Russen und Chinesen. Aber nun können es auch die Inder, was den Premier zur Einschätzung bewegte, dass sein Land damit künftig in der "Space Super League" mitspiele.

Der erfolgreiche Test habe das Land stärker gemacht, versicherte der Premier. Sein Land sei jetzt nicht nur in der Lage, sich an Land, im Wasser und in der Luft zu verteidigen, sondern könne das auch draußen im Weltraum tun. Er spielte damit offenkundig auf Satelliten feindlich gesinnter Staaten an, die Indien ausspionieren wollten. Allerdings ist der militärische Wert von Anti-Satelliten-Waffen umstritten.

Theoretisch können etliche Raketenabwehrsysteme Satelliten zerstören, die auf relativ gut zu berechnenden Umlaufbahnen um die Erde kreisen. Während bei Tests aber meist auf große Wettersatelliten in niedrigen Umlaufbahnen gezielt wird, kreisen militärische Aufklärungssatelliten meist in erdferneren Bahnen. Pakistan, der regionale Rivale Indiens, verfügt derzeit über zwei Aufklärungssatelliten, die militärisch genutzt werden können und 610 Kilometer über der Erdoberfläche fliegen. Der indische Test erreichte laut Modi etwa 300 Kilometer.

Mit großer Präzision war nicht nur die Flugkurve der indischen Rakete berechnet worden, sondern wohl auch der Zeitpunkt der Bekanntgabe. Denn in wenigen Wochen will Modi die Wahl gewinnen, um sich eine zweite Amtszeit von fünf Jahren zu sichern. Seit einer Terrorattacke in Kaschmir, die die Atommächte Indien und Pakistan im Februar an den Rande eines Kriegs brachten, lassen sich in beiden Ländern nationale Emotionen leicht anfachen. Modi sagte, alle Inder sollten stolz auf diese neue militärische Errungenschaft sein, seine Rede klang nach einem kräftigen Schub fürs nationale Ego.

Angeordnet hatte der Premier die Mission offenbar schon vor 18 Monaten, doch dass er sie ausgerechnet jetzt, zwei Wochen vor dem Urnengang, bekannt gab, hält niemand für einen Zufall. Die Opposition protestiert, Modi mache mit unlauteren Mitteln Wahlkampf, Rahul Gandhi von der Kongresspartei gratulierte dem Premier sarkastisch zum "Welttheatertag".

Auch Reaktionen aus der Nachbarschaft kamen prompt. Islamabad sprach von Angeberei und warnte vor einer Militarisierung des Weltalls, Peking beschwor alle Nationen, Frieden und Ruhe im Orbit zu bewahren. Allerdings hatten die Chinesen schon 2007 internationalen Alarm wegen eines ähnlichen Tests provoziert. Die USA warnten nach dem indischen Test vor Chaos im Weltall, schon jetzt fliegen dort gefährlich viele Trümmer herum, Tests von Anti-Satelliten-Raketen werden diesen Müll noch vermehren. Wegen ihrer hohen Geschwindigkeit gefährden schon kleinste Trümmer Satelliten und Raumtransporter. Bei jeder Zerstörung eines künstlichen Himmelskörpers entstehen Tausende Wrackteile, die im Weltall verfolgt werden müssen; aus niedrigen Umlaufbahnen stürzen sie auch nach und nach ab und verglühen zumeist beim Eintritt in die Atmosphäre.

© SZ vom 29.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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