Ihre Post:Ihre Post zu Griechenland

Leserinnen und Leser, die uns jüngst zum Thema Griechenland und Europa geschrieben haben, nervt vor allem eines: Dass beide Seiten sich in gegenseitigen Vorwürfen ergehen.

Leid, das in die Gegenwart reicht

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(Foto: Denis Metz)

"Schuld ohne Sühne" vom 17. März, "Riesenkrach zwischen Berlin und Athen" vom 13. März und "Der Rückfall" vom 11. März: Zunächst einmal ist es auch mir nicht fremd, mit der Nazi-Zeit und allem, was damals geschehen ist, schlicht nichts mehr zu tun haben zu wollen. Schließlich kamen die Täter nicht aus meiner Generation, noch nicht einmal aus meiner Elterngeneration, sondern aus der meiner Großeltern. Jedoch spricht ein Erlebnis dagegen, das ich in dem griechischen Bergdorf Nympheon hatte. Dort traf ich in einem kleinen Restaurant auf eine Bedienung, die das Massaker von Klissura als junges Mädchen überlebt hatte. Obwohl diese Frau mit ihrem Schicksal ausgesöhnt zu sein schien und keineswegs feindselig oder vorwurfsvoll war, machte uns ihre Geschichte, wie ihre ganze Familie umkam und ihr Dorf niedergebrannt wurde, sehr betroffen. Für mich ist seither klar: Wir wollen solche schrecklichen Geschichten zwar vergessen, aber wir können es nicht, und wir dürfen es auch nicht. Was aber hat das Thema jetzt mit den aktuellen Finanzproblemen Griechenlands zu tun? Ich meine, dass wir nicht nur auf der Ebene von Geld und Zahlungen, wie auch immer geartet, denken können. Für mich hat das Thema aber eine Bedeutung dafür, welche Haltung wir Deutsche den Griechen gegenüber einnehmen. Wird überhaupt zugehört, was deren neue Regierung nun eigentlich will, oder verbarrikadieren wir uns hinter unseren - sehr berechtigten - nationalen Interessen? Inwieweit wird bei dem Stil, mit dem Verhandlungen geführt werden, die gemeinsame Vergangenheit berücksichtigt? Wollen wir wirklich den Frieden in der EU aufs Spiel setzen? Es ist dringend geboten, dass alle Beteiligten ihre gegenseitigen Schuldzuweisungen und Vorwürfe einstellen und eine vernünftige Debatte führen - mit dem Willen, sich zu verständigen. Konstantine Aggias, Starnberg Leserbriefe sind in keinem Fall Meinungsäußerungen der Redaktion. Wir behalten uns vor, die Texte zu kürzen. Außerdem behalten wir uns vor, Leserbriefe auch hier in der Digitalen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung und bei Süddeutsche.de zu veröffentlichen. forum@sueddeutsche.de

Italien wird außen vor gelassen

Bei der Diskussion um Reparationen für Griechenland wird der Hauptverursacher unterschlagen: Italien - das heißt das "faschistoide" Italien unter der Führung Benito Mussolinis. Dessen Streitkräfte haben am 28. Oktober 1940 das Königreich Griechenland angegriffen und dann von den griechischen Verteidigern furchtbare Prügel bezogen. Die Folge war, dass die deutsche Wehrmacht, auch wegen eines Umsturzes in Jugoslawien, den Balkanfeldzug startete und schließlich im April 1941 auch die Italiener zu "Siegern" machte. Italien durfte mehr als zwei Drittel Griechenlands seinem rigiden und repressiven Besatzungsregime unterwerfen und ausplündern. Reinfried Brunsch, Freising Leserbriefe sind in keinem Fall Meinungsäußerungen der Redaktion. Wir behalten uns vor, die Texte zu kürzen. Außerdem behalten wir uns vor, Leserbriefe auch hier in der Digitalen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung und bei Süddeutsche.de zu veröffentlichen. forum@sueddeutsche.de

Wie bitte?

Das Foto auf der ersten Seite der Ausgabe vom Freitag, 13. März - mit den Finanzministern Wolfgang Schäuble und Yanis Varoufakis - erinnert an eine kleine Geschichte im "Buch der guten Liebe" des spanischen Dichters Arcipreste de Hita (1283 - 1350 ca.). In dieser disputieren ein Grieche und ein Römer per Zeichen, da jeder die Sprache des anderen nicht kennt. Einmal zeigte einer dem anderen den Zeigefinger und meinte dabei: "Es gibt nur einen Gott", der andere aber interpretierte: "Er droht, mir ein Auge zu zerdrücken." Weiterhin zeigte einer eine offene Hand und meinte damit "Gott schützt alles mit seiner Hand", der andere verstand: "Er droht, mir eine Ohrfeige zu verpassen." So geht es, wenn zwei aus verschiedenen Sprachräumen kommen und verschiedener Sozialisation sind. Fernando Vildósola, Germering Leserbriefe sind in keinem Fall Meinungsäußerungen der Redaktion. Wir behalten uns vor, die Texte zu kürzen. Außerdem behalten wir uns vor, Leserbriefe auch hier in der Digitalen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung und bei Süddeutsche.de zu veröffentlichen. forum@sueddeutsche.de

Solidaritätszuschlag II

Griechenland möchte unter anderem die im Zweiten Weltkrieg auferlegte Zwangsanleihe zur Aufrechnung der griechischen Schulden verwenden. Im Gegenzug könnte aber auch das Bundesland Bayern ein bereits damals gewährtes und nicht rückgezahltes Rettungsdarlehen von knapp zwei Millionen Gulden gegenüber Griechenland fordern. Auch könnten Frankreich, Großbritannien und Russland die zur Staatsgründung benötigte und nur zu drei Vierteln bezahlte Anschubfinanzierung von 60 Millionen Franken rückfordern. Zum Thema Reparationen braucht man nur in die Geschichtsbücher zu sehen, um zu bemerken, dass hier diverse Forderungen gegenüber dem einst so kriegerischen Griechenland offen sind. Zum Beispiel könnten Tunesien und Algerien hier die Zerstörung des Vandalenreiches geltend machen. Auch über Troja könnte man sich so seine Gedanken machen. Diese satirischen Gedanken gehen aber an dem Grundproblem vorbei: Die Zugehörigkeit von nicht wettbewerbsfähigen Ländern (nicht nur Griechenland!) in einer Währungsunion kann nur durch Transfers aufgefangen werden, um einen Schuldenaufbau in den Importländern abzuwehren. Es ist also Zeit, den deutschen Michel in einer Blut-, Schweiß- und Tränenrede auf einen Solidaritätszuschlag II vorzubereiten, der um ein Mehrfaches höher liegen dürfte als der jetzige. Griechenland ist auf der Zeitschiene nur zuerst dran. Es werden weitere und größere Länder folgen. Marcus Kessler, Glückstadt Leserbriefe sind in keinem Fall Meinungsäußerungen der Redaktion. Wir behalten uns vor, die Texte zu kürzen. Außerdem behalten wir uns vor, Leserbriefe auch hier in der Digitalen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung und bei Süddeutsche.de zu veröffentlichen. forum@sueddeutsche.de

Unsaubere Kreditvergabe

Der Schuldenberg, den Griechenland vor sich herschiebt, und die Probleme, die sich jetzt zuspitzen, entstanden nicht von heute auf morgen. Hier wurden in den vergangenen Jahren bei sich abzeichnenden Engpässen des Kreditnehmers von den Kreditgebern immer wieder neue Kredite gewährt, um es dem Kreditnehmer zu ermöglichen, alte Schulden zu bedienen. Jeder Kreditgeber vertraute im Grunde darauf, dass sich immer neue, optimistische oder renditegierige Kreditgeber finden würden, damit ihre eigenen alten Kredite nicht platzen. Wer trägt hierfür die Verantwortung? Nach meiner Überzeugung beide Seiten. Ein entsprechendes gemeinsames Eingeständnis, das vielleicht den Weg für eine Lösung ebnen könnte, vermisse ich bisher leider. Einseitige Schuldzuweisungen der Kreditgeber an Griechenland sind fehl am Platz. Die Kreditgeber sollten sich vielmehr an die eigene Nase fassen und als Konsequenz aus ihrem Fehlverhalten einen substanziellen Beitrag zur Sanierung leisten. Und die Lehre aus der aktuellen Situation sollte lauten: technisch saubere, eigenverantwortliche Kreditvergabe auf jeder Ebene und keine Schwarzen-Peter-Spiele der Kreditgeber. Peter Burdyl, München Leserbriefe sind in keinem Fall Meinungsäußerungen der Redaktion. Wir behalten uns vor, die Texte zu kürzen. Außerdem behalten wir uns vor, Leserbriefe auch hier in der Digitalen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung und bei Süddeutsche.de zu veröffentlichen. forum@sueddeutsche.de

Das Pferd wiehert noch

Wer glaubt noch im Ernst, dass Athen die Vereinbarungen umsetzen wird, welche die Verhandlungsführer nur nach zähem Ringen zähneknirschend unterschrieben haben? Vor Kurzem las ich, dass nicht nur Merkel, Schäuble und Co. im Visier der hellenischen Kanoniere stehen, sondern dass sie inzwischen auch Breitseiten abfeuern gegen Länder wie Spanien und Portugal, die sich dem Gesetz der Vernunft (propagandistisch als "Austerität" verschrien) gebeugt haben und sich weigern, den odysseischen Irrfahrten der Athener Politik zu folgen. Alle bisherigen griechischen Regierungen - und die neue, bei allen scheinheiligen Beteuerungen, wird da keine Ausnahme machen - folgen der Taktik: Die Großen werden geschont - aber die Kleinen geschröpft, sozusagen als menschliche Schutzschilde, damit man dem eigenen Volk und den Völkern Europas demonstrieren kann, wie unmenschlich und bösartig Brüssel und Berlin sind. Es ist der reine Hohn, dass sich Premier Alexis Tsipras und Finanzminister Yanis Varoufakis erst nach langem Tauziehen auf die unumgänglichen Reformen (Besteuerung der Reichen, Ende der Korruption, Unterbindung von Schmuggel) verpflichteten und diese Selbstverständlichkeiten als großes Entgegenkommen bezeichnen - das sie dann wenige Stunden später anfangen wieder auszuhöhlen. Das Trojanische Pferd wiehert noch - zumindest in der griechischen Verhandlungsführung. Matthias Oxenius, Isen

© Süddeutsche Zeitung vom 20.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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