Telefonhilfe und Corona:Endlos in der Warteschleife

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Mühsamer Anfang: In Werbespots versuchten die zwei neckischen Elfen „Elf6“ und „Elf7“, die Nummer in den Köpfen der Deutschen zu verankern. (Foto: Youtube)

Die Patientenhotline 116 117 des ärztlichen Bereitschaftsdienstes war lange kaum bekannt. Das Coronavirus verhalf der Nummer zum Durchbruch - verursacht aber auch ihren zeitweiligen Zusammenbruch.

Von Rainer Stadler, München

Zumindest ein Problem der Patienten-Hotline 116 117 des ärztlichen Bereitschaftsdienstes hat sich erledigt: Vor Kurzem klagten die Anbieter noch, dass ihre Nummer, die seit 2012 existiert, zu wenig bekannt sei. Im Herbst vergangenen Jahres startete daher eine große Werbekampagne: Zwei als Elfen neckisch verkleidete Damen in türkis- und pinkfarbenen Gewändern mit transparenten Flügeln am Rücken sollten die Nummer in den Köpfen der Deutschen verankern: "Elf6" und "Elf7", so lautete die Eselsbrücke. Doch erst das Coronavirus verhalf der Hotline zum Durchbruch - verursacht aber auch ihren zeitweiligen Zusammenbruch. Seit Tagen beschweren sich Anrufer der 116 117, sie seien dort endlos in der Warteschleife gehangen.

Die Kassenärztlichen Vereinigungen, die den Service anbieten, kennen die Misere. In Niedersachsen lagen die Wartezeiten am Wochenende bei bis zu 60 Minuten. In Spitzenzeiten liefen 1000 Anrufe gleichzeitig ein. In Hessen riefen an einigen Tagen so viele Menschen an wie sonst in einer ganzen Woche. Das bundesweite Callcenter hatte am vergangenen Wochenende 90 000 Anrufe zu bewältigen.

"Belastend für die Hotline ist, dass viele verunsicherte Bürger dort anrufen, die diverse Fragen haben, aber nicht wirklich krank sind", sagt Axel Heise von der Kassenärztlichen Vereinigung Bayern. Das erleben auch seine Kolleginnen und Kollegen in anderen Bundesländern. Vor der bundesweiten Schul- und Kita-Schließung hätten sich dort Eltern erkundigt, ob auch die Einrichtung ihres Kindes geschlossen werde. Andere wollten wissen, ob sich Corona auf Haustiere übertrage. Oder ob das Fußballspiel ihrer Lieblingsmannschaft in der Kreisliga stattfinde. Viele Menschen versuchten, permanent anzurufen, wenn sie mal nicht durchkommen, erklärt Kai Sonntag von der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg. Das verstopfe die Leitungen erst recht.

Dabei sind bei Weitem nicht alle unvernünftig, die sich bei der 116 117 melden. Die Nummer sollte ja als "Patienten-Navi" dienen, wie die Kassenärztliche Bundesvereinigung Anfang des Jahres erklärte. Medizinisch geschultes Personal fragt bei Anrufern Symptome, Vorerkrankungen und Risikofaktoren ab und lotst sie dann, je nach Dringlichkeit, zum Hausarzt oder zur nächsten Klinik. Zudem können die Menschen unter dieser Nummer Termine mit einem Facharzt vereinbaren. Das sollte die Praxen entlasten wie auch die Kliniken und deren Notaufnahmen, die gerade abends und an Wochenenden von vielen Patienten geflutet wurden, die über geringfügige Schürfwunden klagten oder ein leichtes Kratzen im Hals verspürten.

In Bayern informiert eine Bandansage über Corona - das binde keine Mitarbeiter

Bundesweit 1500 Mitarbeiter hatten die Kassenärzte für die Callcenter vorgesehen, um die erwarteten zehn Millionen Anrufe in diesem Jahr zu beantworten. Diese Zahl dürfte weit überschritten werden. In Baden-Württemberg sind deshalb statt bisher zehn nun fünfzig Menschen beschäftigt, um Termine zu vermitteln und Fragen zum Coronavirus zu beantworten. Auch Bayern baut die Kapazitäten aus, ebenso Hessen. Dort sei aber, wegen der aktuellen Grippewelle, der Krankenstand sehr hoch, das Fachpersonal, das deshalb fehlt, könne nicht so einfach ersetzt werden.

In Bayern informiert eine Bandansage allgemein über Corona, zumindest das binde keine Mitarbeiter, erläutert Axel Heise. Wenn ein Patient in der Leitung bleibe, werde er zu einem medizinisch geschulten Disponenten durchgestellt, der abkläre, ob ein Coronaverdacht besteht. "Ist ein Patient besonders hartnäckig, etwa weil er einen Test aus Unsicherheit oder auf Druck des Arbeitgebers will", werde er zu einem Arzt durchgestellt, der ihn berät. Wie viele andere Bundesländer hat Bayern einen mobilen Fahrdienst eingerichtet, der Abstriche bei den Patienten zu Hause vornimmt. Doch auch hier komme es "leider zu Verzögerungen aufgrund der knappen Laborkapazitäten", sagt Heise.

Er betont, wie auch seine Kolleginnen und Kollegen, die 116 117 sei keine Hotline für Fragen zum Coronavirus. Die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen bittet fast flehentlich, die Nummer "nur bei wirklichen gesundheitlichen Problemen" anzurufen. Von der Geschäftsstelle in Hessen heißt es, wer schnell Hilfe benötige, könne sich alternativ an seinen Hausarzt, die Gesundheitsämter und an die 112 wenden.

Das Problem: Hausärzte und Gesundheitsämter sind kaum weniger überlastet. Und am Mittwoch appellierte die Patienten-Beauftrage der Bundesregierung, Claudia Schmidtke, den Notruf 112 für "Meldungen von Notfällen freizuhalten". Für alle, die befürchteten, mit dem Coronavirus infiziert zu sein, sagte sie, stehe "die Nummer 116 117 des ärztlichen Bereitschaftsdienstes zur Verfügung".

© SZ vom 19.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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