Chinas langer Arm:Kopfgeld auf Demokraten im Exil

Lesezeit: 3 min

Lebenslange Verfolgung: Steve Li von der Nationalen Sicherheitspolizei in Hongkong stellt Plakate mit Gesuchten vor, auf die ein Kopfgeld ausgesetzt ist. (Foto: Joyce Zhou/Reuters)

Hongkongs Polizei will prominente Demokratie-Aktivisten fassen, die in den Westen geflüchtet sind. Menschenrechtler sehen das als Teil einer "globalen Einschüchterungskampagne" Chinas.

Von Kai Strittmatter

Hongkongs Polizei hat ein Kopfgeld von je einer Million Hongkong Dollar (knapp 117 000 Euro) ausgesetzt auf acht Hongkonger Demokratie-Aktivisten, die im Westen leben. Das Kopfgeld wurde ausgelobt bei einer Pressekonferenz am Montag in Hongkong. Dort gab der Hauptkommissar der neuen Nationalen Sicherheitspolizei, Steve Li, bekannt, man habe Haftbefehle ausgestellt gegen die Gesuchten, darunter die prominenten früheren Parlamentarier des demokratischen Lagers Nathan Law, Ted Hui und Dennis Kwok.

Für Bürgerrechtler ist das Vorgehen ein weiterer Beleg dafür, wie Hongkong und China versuchen, ihr Recht auch außerhalb des eigenen Territoriums durchzusetzen. Die acht Aktivisten hatten alle Hongkong wegen der zunehmenden Repression verlassen und leben mittlerweile im Exil in Großbritannien, Australien und den USA. Der Hongkonger Regierungschef John Lee sagte am Montag, man werde die Gruppe "ein Leben lang" verfolgen.

Das drakonische Sicherheitsgesetz erklärt sich selbst als weltweit gültig

Die Nationale Sicherheitspolizei wirft den acht Gesuchten unter anderem vor, "mit ausländischen Mächten kollaboriert" zu haben, und dabei "schwere, die nationale Sicherheit gefährdende Straftaten begangen, Sanktionen befürwortet und Hongkong unterminiert zu haben". Die Polizei berief sich dabei auch auf Paragraf 38 des 2020 verabschiedeten drakonischen Nationalen Sicherheitsgesetzes, das seine eigene Gültigkeit auch jenseits der Grenzen von Hongkong und China postuliert.

Die "Verfolgung von friedlichem Dissens in Hongkong und im Ausland" erreiche eine neue Qualität, kommentierte die Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" den Schritt: "China weitet seine politischen Einschüchterungskampagnen auch jenseits seiner Grenzen aus."

Mit diesem Plakat fahndet die Hongkonger Polizei nach Nathan Law. Der Demokratie-Kämpfer veröffentlichte es selbst auf Twitter. (Foto: Nathan Law/Twitter)

Der ehemaligen britischen Kronkolonie Hongkong waren 1997 bei der Rückkehr nach China 50 Jahre Autonomie versprochen worden. Die Verabschiedung des Nationalen Sicherheitsgesetzes im Juni 2020 war der Höhepunkt einer Kampagne der Behörden gewesen, um die Freiheiten der Stadt endgültig einzuschränken. Kritiker sehen in dem bewusst vage formulierten Gesetz einen Willkürakt, der den Behörden die Möglichkeit gibt, sämtliche prodemokratischen Aktivitäten zu verfolgen. Ein autonomes Hongkong gab es spätestens seit dem Zeitpunkt nicht mehr.

In der Folge schlossen Zeitungen und Radiostationen, das alljährliche Gedenken an das Tiananmen-Massaker wurde verboten, und fast alle Parlamentarier der Demokraten wurden verhaftet. Für viele Hongkonger war das Gesetz der Anlass, ihrer Heimatstadt den Rücken zu kehren. Allein 100 000 haben seither in Großbritannien Zuflucht gefunden.

Ihre Verbrechen: "offene Briefe", "Treffen mit Politikern", "Medien-Interviews"

Der Prominenteste ist der 29-jährige Nathan Law, einst jüngster Parlamentarier in der Geschichte Hongkongs. Nathan Law wird nun gesucht wegen "Anstiftung zur Sezession" und "Kollaboration mit ausländischen Mächten". Konkret werfen ihm die Hongkonger Behörden die "Teilnahme an Anhörungen, Treffen mit ausländischen Politikern, Medien-Interviews, das Verfassen offener Briefe und das Unterzeichnen von Petitionen und Beiträge in den sozialen Medien" vor, wie die "Hong Kong Free Press" meldet. "Wenn Treffen mit ausländischen Politikern, die Teilnahme an Seminaren und Anhörungen als 'geheime Absprachen mit ausländischen Kräften' gelten", schrieb Nathan Law auf Twitter, "dann müssten aber viele (Hongkonger) Beamte rechtliche Probleme bekommen."

Mit Auslieferung muss vorerst keiner der acht Gesuchten rechnen, zumindest nicht, solange sie in ihren Gastländern bleiben. Der britische Außenminister James Cleverly machte klar, London werde "keine Versuche Chinas tolerieren, Einzelpersonen im Vereinigten Königreich einzuschüchtern und zum Schweigen zu bringen". Großbritannien hatte - wie andere Länder auch - unmittelbar nach Verabschiedung des Nationalen Sicherheitsgesetzes 2020 sein Auslieferungsabkommen mit Hongkong ausgesetzt.

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Nathan Law selbst, der sein Hongkonger Fahndungsplakat auf Twitter postete, sagte der BBC, er werde dennoch wachsamer sein müssen. "Es könnte Leute geben, hier oder anderswo, die Informationen über mich liefern. Zum Beispiel wo ich mich gerade bewege und wo ich ausgeliefert werden könnte, etwa wenn ich bei Reisen über bestimmte Länder im Transit bin."

Hongkong will die acht Personen auch im Ausland "überwachen". Lebenslang

Der von China handverlesene Hongkonger Regierungschef John Lee sagte am Montag, die einzige Möglichkeit für die Aktivisten, "ihr Schicksal als lebenslang verfolgte Flüchtige zu beenden", bestehe darin, "sich so bald wie möglich zu stellen". Lee kündigte zudem an, dass seine Behörden das Verhalten der acht Personen im Ausland weiterhin "überwachen" würden, ohne zu erklären, wie diese Überwachung aussehen wird. "Sie sollen wissen", sagte der Regierungschef, "dass wir nicht untätig bleiben werden." Seine Polizei hatte zuvor erklärt, das Kopfgeld sei ausgelobt etwa für Informationen über den Aufenthaltsort der Gesuchten.

Chinaexpertin Maya Wang von Human Rights Watch sagte am Dienstag, "Chinas globale Einschüchterungskampagne" dürfe nicht länger ohne Folgen bleiben. Sie forderte "gezielte Sanktionen" der demokratischen Länder gegen "beteiligte Regierungsbeamte".

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