Proteste gegen China:"Letzter Kampf" um Hongkong

Lesezeit: 3 Min.

Die Polizei in Hongkong geht teilweise hart gegen die Demonstranten vor. (Foto: REUTERS)
  • In Hongkong kommt es bei Protesten zu gewaltsamen Ausschreitungen.
  • Demonstranten dringen in den Sitzungssaal des Parlaments ein.
  • Hongkongs Regierung zeigt sich kaum gesprächsbereit.

Von Lea Deuber, Peking

Der Tag in Hongkong begann mit einer neuerlichen Massendemonstration. Mindestens zweihunderttausend Menschen gingen auf die Straße, anlässlich des 22. Jahrestags der Übergabe Hongkongs an China zogen sie am Montag durch die Innenstadt. Sie protestierten gegen eine morgendliche Fahnenzeremonie anlässlich des Jahrestags der Übergabe der ehemaligen britischen Kronkolonie an China. Doch dann schlug die Stimmung bei einigen um. Hunderte Demonstranten stürmten das Parlamentsgebäude, nachdem sie mit Stahlstangen den Haupteingang des Parlamentsgebäudes attackiert hatten, das zuvor abgesperrt worden war. Sie rissen Politikerporträts von den Wänden und sprühten demokratische Parolen an die Wände. Erst in der Nacht zum Dienstag (Ortszeit) verließen sie das Regierungsgebäude, bevor die Polizei anrückte. Eine weitere Eskalation blieb damit aus. Zuvor hatten vorwiegend junge Demonstranten auch Überwachungskameras und andere Objekte rund um das Gelände zerstört. Anstelle der chinesischen Nationalflagge, die normalerweise neben der Hongkonger Flagge weht, hatten die Demonstranten die schwarze Flagge der Protestbewegung gehisst. Die Aktivisten forderten die Freilassung der als "Märtyrer" bezeichneten Demonstranten, die im Juni festgenommen worden waren.

Die mit Schlagstöcken bewaffnete Polizei ging mit Pfefferspray gegen die Demonstranten vor. Abgeordnete mussten in Sicherheit gebracht werden. Nach Regierungsangaben wurden mindestens 25 Menschen bei den Zusammenstößen auf den Straßen verletzt. Die Ausschreitungen wurde auch von Vertretern des pro-demokratischen Lagers kritisiert.

Regierungschefin Carrie Lam verspricht einen offeneren Führungsstil

Anders als sonst am Jahrestag üblich verfolgten Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam und die geladenen Gäste die Fahnenzeremonie am Morgen nicht im Freien, sondern auf einem Bildschirm in einem nahe gelegenen Kongresszentrum. Offizielle Begründung war das schlechte Wetter. Es hatte am Morgen leicht geregnet. Die in den vergangenen Wochen unter Druck geratene Regierungschefin Carrie Lam bemühte sich in ihrer Ansprache um Entspannung. Sie versprach in ihrer Rede zum Jahrestag eine Veränderung ihres Regierungsstils. Sie wolle "offener und entgegenkommender" regieren sowie "aktiv auf die jungen Leute zugehen" und "deren Überlegungen zuhören".

Ihre kompromisslose Haltung im Umgang mit einem Entwurf für ein Auslieferungsabkommen mit China hatte die Massenproteste im Juni provoziert. Laut Kritikern hätte die Neuregelung die Auslieferung von Personen nach Festlandchina ermöglicht. Erst nachdem mehrmals mehrere Hunderttausend Menschen auf die Straße gegangen waren und sich auch ausländische Regierungen kritisch gegenüber dem Vorhaben geäußert hatten, setzte Lam den Entwurf aus.

Viele Demonstranten fordern trotzdem weiterhin ihren Rücktritt. Zudem sollte das Gesetz komplett zurückgenommen werden, finden sie. Nach jetzigem Stand könnte es noch zu einem späteren Zeitpunkt in der zweiten Lesung ins Parlament eingebracht werden.

Nach dem Willen der Demonstranten sollen auch die inhaftierten Mitglieder der Protestbewegung freikommen, die aufgrund ihrer Teilnahme an Märschen festgenommen worden waren. Polizisten sollen bestraft werden, die bei einem Protest am 12. Juni gewaltsam gegen Demonstranten vorgegangen waren. Es hatte über 80 Verletzte gegeben. Bisher hat sich die Hongkonger Regierung bei keinem dieser Punkte gesprächsbereit gezeigt.

Bis 2047 sollte die Stadt ihren Sonderstatus innerhalb der Volksrepublik behalten

Vor der Übergabe der ehemaligen Kronkolonie 1997 hatte die Zentralregierung in Peking der Stadt nach dem Prinzip "Ein Land, zwei Systeme" für fünfzig Jahre weitreichende rechtsstaatliche Freiheiten zugesichert. Mindestens bis 2047 soll die Stadt ihren Sonderstatus innerhalb der Volksrepublik behalten. Die chinesische Regierung hat dieses Prinzip aber in den vergangenen Jahren immer weiter unterwandert. Beobachter sehen eine Erosion der rechtsstaatlichen Prinzipien und Freiheiten in der Finanzmetropole. Besonders junge Demonstranten fürchten um die Zukunft ihrer Stadt. Ihnen geht es auch um die Frage, was nach 2047 folgen soll. Es ist der Grund für die hohe Beteiligung von Schülern und Studenten an den Protesten. Einige Gruppen fordern eine Radikalisierung der Bewegung, um ihre Forderungen durchzusetzen. Viele beschreiben die Demonstrationen als "letzten Kampf" um Hongkong.

Unterdessen nimmt auch die Sorge der Bevölkerung über die wachsende Präsenz der kommunistischen Volksbefreiungsarmee in der chinesischen Sonderverwaltungszone zu. Ende Juni wurde das Victoria Harbour Pier im Stadtzentrum an die chinesische Armee übergeben. Dort können künftig chinesische Kriegsschiffe anlegen. Die Armee unterhält zudem bereits eine Garnison in Hongkong.

© SZ vom 02.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ JetztHongkong
:"Die Regenschirmproteste von 2014 haben uns nicht zufriedengestellt"

In München lebende Hongkonger*innen erzählen von der politischen Lage.

Protokolle von Franziska Koohestani

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: