Haushaltsplan:Bremen will die Schuldenbremse bremsen

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Der Bürgermeister von Bremen, Carsten Sieling (SPD). (Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)
  • Als erstes Bundesland legt Bremen einen Haushalt vor, mit dem es die Konsolidierungsvorgaben von 2009 umwirft.
  • Der Haushaltsentwurf für 2016 sieht 361 Millionen Euro Mehrausgaben für die Flüchtlinge vor.
  • Bislang ist das Defizit seit 2010 um knapp 60 Prozent von 1 254 Millionen auf 518 Millionen Euro gesunken.

Von Thomas Hahn, Bremen

Ein Mensch aus Bayern dürfte im Bremer Rathaus selten so viel Zustimmung erfahren haben wie am Montag der Staatsrechts-Professor Stefan Korioth von der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Bremens Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) und die grüne Finanzsenatorin Karoline Linnert nahmen Korioth in ihre Mitte, ehe dieser die Ergebnisse seines Gutachtens zum neuesten Bremer Haushalt vortrug.

Und beide nickten immer wieder, als Korioth in schnörkellosen Sätzen seine Einschätzung darlegte zu einer Frage, die alle Bundesländer interessieren muss. Darf Bremen vom Plan der Schuldenbremse abweichen, um die Mehrkosten durch die Flüchtlinge zu finanzieren? Stefan Korioth sagt: Ja, das darf es, weil ein "begründeter Ausnahmefall im Sinne des Konsolidierungsgesetzes" vorliege.

Die Bremer sind es gewohnt, kreative Lösungen im Kampf gegen knappe Kassen zu finden. In dem kleinen Stadtstaat findet man immer wieder Beispiele für besonderen Zusammenhalt und Sozialarbeit mit Elan. Die Idee, mehr Schulden zu machen als geplant, wirkt da eigentlich nicht sehr originell.

Und doch sehen sich die Bremer wieder als "Frontrunner", wie Bürgermeister Sieling sagt: Als erstes Bundesland legt Bremen einen Haushalt vor, mit dem es die Konsolidierungsvorgaben von 2009 umwirft. "Wir betreten juristisches Neuland", sagt Finanzsenatorin Linnert, "andere werden folgen." Sieling prophezeit: "Alle werden ihre Haushalte korrigieren müssen."

Dass die EU mithilfe der Türkei die größten Flüchtlingsströme aufgehalten hat, bedeutet schließlich nicht, dass die Bundesländer plötzlich keine Geflohenen mehr zu betreuen haben. In Bremen wird das jetzt vor allem deshalb so deutlich, weil es als erstes Land nach der großen Flüchtlingswelle des vergangenen Jahres einen neuen Haushalt vorzulegen hatte. Und dieser Haushalt zeigt, dass man Konsolidierung nicht so einfach verordnen kann.

Bis 2019 kann der Stadtstaat noch Millionenhilfen bekommen, wenn er sich an Auflagen hält

Neben Berlin, dem Saarland, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein gehört Bremen zu jenen Bundesländern, die unter besonders aufmerksamen Blicken des Stabilitätsrats wirtschaften müssen. Dieses Gremium von Bund und Ländern überwacht den Weg in die Schuldenbremse, die den Ländern ab 2020 eine Neuverschuldung verbietet. Die ärmsten Länder unterliegen dabei einem Mechanismus, der sie fordern und fördern soll, damit sie in vier Jahren tatsächlich ohne Kredite auskommen.

Bremen zum Beispiel kann noch bis 2019 jährlich 300 Millionen Euro Konsolidierungshilfe bekommen, wenn es seine Konsolidierungsverpflichtungen einhält. Und das hat Bremen bisher getan. Erst vor wenigen Tagen hat Karoline Linnert verkündet, dass Bremen auch 2015 unter der Obergrenze der zulässigen Neuverschuldung lag, und zwar mit 109 Millionen Euro bei einer Nettokreditaufnahme von 264 Millionen. Das Defizit sei seit 2010 um knapp 60 Prozent von 1 254 Millionen auf 518 Millionen Euro gesunken. "Wir haben Kurs gehalten", sagte sie.

Die schlechte Nachricht hatte Linnert aber auch schon dabei: Der Haushaltsentwurf für 2016 sieht 361 Millionen Euro Mehrausgaben für die Flüchtlinge vor. "Eine solche Summe sprengt den 2011 in der Konsolidierungsvereinbarung festgelegten Haushaltsrahmen", sagte die Finanzsenatorin, "diese Summe können wir nicht an anderer Stelle ausgleichen. Das würde beispielsweise bedeuten, alle Zahlungen an die Hochschulen zu stoppen." Zusätzliche Kredite müssen her - als begründete Ausnahme in der Not, wie sie das Grundgesetz, Bremens Landesverfassung und auch das Konsolidierungsgesetz zulassen.

Dass die Flüchtlingslage eine solche Ausnahmesituation ist, daran besteht für Korioth "kein Zweifel"; als Stadtstaat steckt Bremen deswegen sogar besonders tief in der Kostenfalle, weil es keine Belastungen auf Kommunen abwälzen kann. Außerdem gibt es in Bremen eine besonders hohe Zahl unbegleiteter Flüchtlinge. Stefan Korioth hält den überzogenen bremischen Haushalt für rechtens und sähe eine "hohe Begründungslast" beim Stabilitätsrat, falls dieser den Haushalt ablehnen würde.

Karoline Linnert fühlt sich trotzdem noch nicht in Sicherheit. Als sie den Bremer Weg vor dem Stabilitätsrat vorstellte, traf sie damit auf wenig Sympathie beim Bundesfinanzminister: "Schäuble war nicht begeistert." Und im Ministerium von Wolfgang Schäuble kritisiert ein Sprecher, Bremen weise die höchsten Flüchtlingsausgaben aller Länder aus und habe zu wenige Rücklagen gebildet. Die Entscheidung, ob der Stabilitätsrat Bremens gebremste Schuldenbremse durchgehen lässt, fällt erst im Frühjahr 2017. Trotz Münchner Beistand sagt Karoline Linnert: "Sie werden von mir nicht hören, dass das schon in trockenen Tüchern ist."

© SZ vom 03.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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