Hannover:Zusammenhalt der jüdischen und palästinensischen Gemeinde

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Yazid Shammout, Vorsitzender der palästinensischen Gemeinde in Hannover, spricht. (Foto: Ole Spata/dpa)

Der Krieg in Nahost treibt auch Menschen in Niedersachsen und Bremen zum Protest auf die Straße. Immer wieder kommt es zu mutmaßlichen Straftaten. Doch es geht auch anders.

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Hannover (dpa/lni) - Zu Frieden, Toleranz und Respekt haben die jüdische und die palästinensische Gemeinde in Hannover aufgerufen. „Wir sind es gewohnt, respektvoll miteinander umzugehen und uns zuzuhören“, sagte der Vorsitzende des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden von Niedersachsen, Michael Fürst, am Freitag in Hannover. Das sollte nach den Worten von Fürst „über Hannover hinaus wirken“.

Fürst verbindet seit Jahren eine persönliche Freundschaft mit Yazid Shammout, dem Vorsitzenden der palästinensischen Gemeinde Hannover. Eindringlich riefen beide dazu auf, nicht gegeneinander zu arbeiten. Shammout sprach sich gegen jede Form des Antisemitismus aus und forderte von pro-palästinensischen Demonstranten respektvollen Umgang mit anderen Menschen. Auch Ibrahim Özdemir von der Schura Niedersachsen, dem Landesverband der Muslime, verurteilte Hass und Gewalt.

Eine pro-palästinensische Demonstration am Freitag in Bremen blieb nach Angaben der Polizei friedlich. Rund 500 Menschen versammelten sich auf dem Platz der Deutschen Einheit vor dem Hauptbahnhof. Die Beamten hatten mit doppelt so vielen Teilnehmenden gerechnet und sich mit Wasserwerfern gerüstet.

Weitere Demonstrationen sind für Samstag in Hannover geplant. Vier Kundgebungen sind angemeldet worden, wie eine Sprecherin der Polizei Hannover sagte. Veranstalter sind die Palästinensische Gemeinde Hannover, das Junge Forum Hannover der Deutsch-israelischen Gesellschaft, der Kreisverband Hannover der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands und eine Privatperson. Die Polizei rechnet damit, dass der Straßenverkehr in der Stadt beeinträchtigt wird.

Die Demonstration der Palästinensischen Gemeinde ist auf dem Opernplatz geplant. Die Polizei erwartet eine Teilnehmerzahl im mittleren dreistelligen Bereich. Bei der Kundgebung des Jungen Forums auf dem Georgsplatz wird mit einer niedrigen dreistelligen Zahl an Teilnehmern gerechnet. Die zwei weiteren Kundgebungen sind nicht ortsgebunden. Angekündigt sind Routen durch die Innenstadt.

„Bei aller Emotionalität dürfen Hass und Gewalt nicht auf die hannoverschen Straßen getragen werden“, mahnte Belit Onay (Grüne), Oberbürgermeister von Hannover, am Freitag. „Wir werden nicht dulden, dass Antisemitismus den gesellschaftlichen Zusammenhalt gefährdet.“

Seit dem Terrorangriff der islamistischen Hamas auf Israel am 7. Oktober kam es vor allem in Berlin immer wieder zu Demonstrationen von Palästinensern und Unterstützern, bei denen einige Teilnehmer die islamistische Hamas bejubelten. Zum Teil kam es zu Ausschreitungen. Auch die Zahl der antisemitischen Vorfälle nahm seit dem Überfall der Hamas bundesweit drastisch zu.

In Braunschweig hat die Verwaltung eine für Samstag geplante Veranstaltung untersagt. Die Demonstration war von dem Deutsch-Palästinensischen Verein in Braunschweig angekündigt worden. Die Stadt begründete das Verbot damit, dass die öffentliche Sicherheit gefährdet sei. Die Stadt nahm an, dass auf der Veranstaltung strafbare Parolen ausgerufen worden wären. Die Polizei ermittelt zudem wegen eines mutmaßlich strafbaren Beitrags des Vereins in einem sozialen Netzwerk.

Auch in Bremen wurde eine für Samstag geplante pro-palästinensische Kundgebung vom Ordnungsamt verboten. Angekündigt worden war die Demonstration unter dem Titel „Free Palestine! Aufstehen für Gaza“ von der Gruppe „Palästina spricht Bremen-Oldenburg„, wie das Innenressort mitteilte. Das Ressort ging davon aus, dass die Protestkundgebung zu Straftaten geführt hätte. Der Anmelder habe in einem sozialen Netzwerk Israel das Existenzrecht abgesprochen.

„Wir dürfen auf unseren Straßen weder antisemitische Propaganda noch das Feiern des Terrors der Hamas dulden“, sagte der niedersächsische Antisemitismusbeauftragte Gerhard Wegner am Freitag in einer Mitteilung. Die Verharmlosung und die Freude über islamistische Gewalt, die man auf den Straßen sehe, sei unerträglich.

Wegner bezog sich in seinen Aussagen unter anderem auf die Gewalttätigkeiten in Berlin-Neukölln. Allein bei den Ausschreitungen aus der Nacht zu Donnerstag wurden den Angaben nach 65 Polizisten verletzt und viele Menschen festgenommen. Pro-palästinensische Kundgebungen waren den Ausschreitungen vorausgegangen.

In der Nacht zu Donnerstag hatte es auch in Bremen eine pro-palästinensische Demonstration gegeben. Diese war nicht angemeldet. Teilnehmer riefen den Angaben nach unter anderem „Kindermörder Israel“, weshalb die Polizei auch wegen des Verdachts der Volksverhetzung Ermittlungen einleitete. Der Anlass der Zusammenkunft war mutmaßlich die tödliche Explosion an einem Krankenhaus im Gazastreifen.

Nach Angaben des niedersächsischen Innenministeriums sind seit dem 7. Oktober zwölf Vorfälle, die Israel-Flaggen betreffen, im Bundesland bekannt. Die Flaggen wurden abgehängt, gestohlen und angezündet. In drei Fällen gelang es, Tatverdächtige zu ermitteln.

Es sei eine schwere Zeit für die jüdische Gemeinde, betonte Fürst am Freitag. Viele Menschen stünden nach dem blutigen Überfall der Terrormiliz Hamas auf Israel unter Schock. Er sagte aber auch, er fühle sich sicher in Hannover und Deutschland. Shammout erklärte, es handele sich um eine Tragödie auf beiden Seiten. Er sieht in einer Zwei-Staaten-Lösung für Palästinenser und Israel eine Möglichkeit, den Nahostkonflikt zu entschärfen. Auf die Frage, wie eine Deeskalation aussehen könnte, sagten beiden: „Ich weiß es nicht.“

© dpa-infocom, dpa:231020-99-640078/3

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