Hamburger Islamist Zammar:Verschleppt, verhaftet, ausgetauscht

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Er galt als Schlüsselfigur der Hamburger Terror-Szene, dann verschleppte ihn die CIA mit Hilfe deutscher Behörden nach Syrien. Jetzt, nach zwölf Jahren in syrischen Gefängnissen, ist der Hamburger Mohammed Zammar frei. Nach Informationen von NDR und SZ profitierte der Islamist von einem Gefangenenaustausch.

Von S. Buchen und H. Leyendecker

Der Islamist Mohammed Haydar Zammar, 52, der viele Jahre in Hamburg lebte, war nie zu übersehen. Ein Hüne von Gestalt, früher jedenfalls war der Mann, der gern einen wallenden Kaftan trug, fast drei Zentner schwer. Er hatte Muskeln wie ein Schwergewichtsringer und galt als eine der Schlüsselfiguren der Hamburger Terror-Szene um Mohammed Atta.

Einmal, bei einer Hochzeit in einem Lager, ist er Osama bin Laden begegnet. Der im Dezember 2001 von der CIA mit starker deutscher Unterstützung nach Syrien entführte Zammar, dessen Fall die Bundesregierung, deutsche Nachrichtendienste und einen Untersuchungsausschuss des Bundestages beschäftigte, ist nach mehr als zwölf Jahren Haft aus dem Zentralgefängnis in Aleppo, in dem er zuletzt saß, freigekommen.

Die islamistische Miliz "Ahrar ash-Sham" soll ihn und fünf weitere "politische Gefangene" gegen eine unbekannte Zahl von Offizieren der Regierungstruppen ausgetauscht haben. Das hatte ein arabisches Nachrichtenportal bereits im Herbst 2013 gemeldet, aber die Nachricht war in den Wirren des Krieges und in den Weiten des Netzes untergegangen.

Angeblich hält sich Zammar noch immer in Aleppo auf, der im Krieg versinkenden zweitgrößten Stadt Syriens. Nach Informationen des NDR und der Süddeutschen Zeitung steht seine in Hamburg lebende Familie in telefonischem Kontakt zu ihm.

Deutsche Sicherheitsbehörden haben kurz nach Zammars Freilassung versucht, Näheres über seinen Aufenthaltsort in Erfahrung zu bringen. Das Bundeskriminalamt kümmerte sich. Es gibt keine gesicherten Erkenntnisse, wo er genau lebt und wie seine Lebensumstände sind.

In Afghanistan lernte Zammar den Umgang mit Sprengstoff

Gegen Zammar lief in Deutschland viele Jahre unter dem Aktenzeichen 2 BJs 81/01-05 ein Verfahren der Bundesanwaltschaft im Zusammenhang mit der Hamburger Zelle. Er wurde der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung verdächtigt. Für einen Haftbefehl hatten die Vorwürfe nicht gereicht. Inzwischen ist sein Fall in Deutschland verjährt. Die Verjährungsfrist beträgt zehn Jahre, und sie ist nicht unterbrochen worden.

Zammar war 1971 mit seiner Familie aus Aleppo nach Hamburg gezogen. Damals war er zehn Jahre alt. Im März 1982 wurde er Deutscher und verzichtete auf die syrische Staatsbürgerschaft. Er jobbte, interessierte sich für Autos und fand keine feste Stelle. Er wurde später zum Gefolgsmann der Mudschahidin in Afghanistan.

Aus seiner Akte geht hervor, dass er 1991 erstmals nach Afghanistan reiste und dort in Lagern den Umgang mit Sprengstoff lernte. Er kam zurück, ging wieder nach Afghanistan, reiste dann nach Bosnien, um den Muslimen im Kampf gegen die Serben beizustehen. In Hamburg predigte er den heiligen Kampf und hielt enge Verbindung zu den Todespiloten vom 11. September, Mohammed Atta und Zuad Jarrah.

Mancher meinte nach den Anschlägen, Zammar sei eine Art Ziehvater der Terroristen gewesen, aber dieser Eindruck hat vermutlich vor allem mit seiner massigen Gestalt und seinem Alter zu tun. Nach Darstellung von Zammar haben ihn die Freunde nicht in ihre Pläne eines Anschlags auf die USA eingeweiht.

Deutsche Behörden lieferten abgehörte Gespräche

Wie die Hamburger Verhältnisse genau waren, blieb unbestimmt. Fest steht, dass deutsche Behörden im Fall Zammar sehr weit gegangen sind. Nachdem er Ende Oktober 2001 nach Marokko geflogen war, um die Scheidung von seiner Zweitfrau zu regeln, baten die US-Dienste die deutschen Dienste um sehr weitreichende Amtshilfe. Alles, was über Zammar vorlag, sollte sofort geliefert werden. Persönliche Daten, Flugdaten, die Mitschriften abgehörter Gespräche.

Und alles wurde geliefert. Das Material eignete sich für das geplante Kidnapping durch Spezialkräfte in Marokko. Der Zweck der Lieferung muss den deutschen Sicherheitsbeamten klar gewesen sein. Er wurde gekidnappt, erst in Marokko vernommen, dann, im Dezember 2001, von der CIA nach Syrien verschleppt und dort von syrischen Spezialisten gefoltert.

Über alles, was Zammar betraf, ließen sich die BND-Spitze und das Bundeskanzleramt damals unterrichten. Im November 2002 reisten vier deutsche Geheimdienstmitarbeiter und zwei Mitarbeiter des BKA nach Damaskus, um dort Zammar über seine Terrorverbindungen zu befragen. Er sagte den Beamten, dass er in syrischer Haft geschlagen worden sei, aber war da wirklich was? Die Hände des Häftlings seien "sauber, gepflegt" gewesen, notierte ein deutscher Vernehmer.

Als eine Art Vorleistung für den Besuch bei dem Atta-Freund hatten die deutschen Behörden in Koblenz einen Prozess gegen syrische Agenten platzen lassen: "Überwiegende öffentliche Interessen" standen dem Hauptverfahren entgegen.

Zammar wurde später in Damaskus zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Beweise gegen ihn waren aus Deutschland geliefert worden. Es ist unklar, ober er eines Tages nach Deutschland zu seiner Frau und seinen sechs Kindern zurückkehren möchte.

© SZ vom 01.03.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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