Hamburg: Fragwürdige Kriminalstatistik:Zurechtgebogene Zahlen

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Die Hamburger CDU wirbt mit einem Rückgang der Kriminalität in der Stadt um die Wiederwahl. Doch die Zahlen, mit denen sich Spitzenkandidat Christoph Ahlhaus schmückt, sind faul.

Roland Preuß

Es ist einer der wenigen Trümpfe, die Christoph Ahlhaus im Wahlkampf spielen kann: "Unsere Bilanz: Kriminalität minus 25 Prozent" strahlt es auf Großplakaten in Hamburg. Daneben lächelt der CDU-Bürgermeister wie ein Hafenwächter, der alles im Griff hat. Auf Flugblättern behauptet der frühere Innensenator: "Wer sicher leben will, muss CDU wählen."

Dass Ahlhaus hier Punkte macht, musste sogar sein Kontrahent Olaf Scholz einräumen: Solch ein Rückgang der Kriminalität sei der SPD einst nicht gelungen.

"Das ist unseriös ermittelt"

Ahlhaus' Bilanz stimmt auf dem Papier, doch ein genauer Blick offenbart, dass etwas faul ist. "Das ist unseriös ermittelt", sagt der Konstanzer Kriminologe Wolfgang Heinz. Der Professor hat die Zahlen überprüft - und kommt zu anderen Ergebnissen als Ahlhaus.

Ein Problem sei das Ausgangsjahr 2001, jenes Jahr, das die CDU an die Macht brachte. Die Polizei verzeichnete damals einen Anstieg der Straftaten um gut zwölf Prozent, Medien karikierten Hamburg als "Hauptstadt des Verbrechens". Doch der Hintergrund war banal: Die Behörden hatten einen Anlagebetrug mit mehr als 26000 Fällen ermittelt, die alle als Verbrechen zählten. Der Anstieg gehe "zum großen Teil" auf diese Fälle zurück, schreibt das Bundeskriminalamt in seinem Jahresbericht.

Bei Gewalttaten wie gefährliche Körperverletzung steht Hamburg jedoch nicht so gut da, wie Ahlhaus behauptet. Vergleicht man, wie viele Verbrechen pro Einwohner begangen wurden, "gibt es zwischen 2001 und 2009 so gut wie keine Verbesserung", sagt Heinz. Schwere und gefährliche Körperverletzungen - etwa ein Angriff mit einer Waffe - begingen Täter in Hamburg laut Polizeistatistik sogar häufiger als acht Jahre zuvor. "Der Anstieg ist noch deutlicher als in den Stadtstaaten Bremen und Berlin", sagt Heinz.

Erst im vorigen Jahr registrierte die Hamburger Polizei deutlich weniger Gewalttaten als 2001, eine entsprechende Statistik schob Innensenator Heino Vahldieck (CDU) vor zehn Tagen nach.

In Hamburg geschehen seltener Raubüberfälle und Vergewaltigungen als zuletzt unter SPD-Herrschaft. Aber ist das ein Erfolg von Ahlhaus? Nein, glaubt Heinz, weil auch in vergleichbaren Städten wie Berlin oder Bremen weniger geraubt wird - beide Länder haben SPD-Innensenatoren. Gewalttaten haben dort sogar stärker abgenommen als in Hamburg. Auf viele Ursachen haben Politiker eben keinen Einfluss, etwa dass es immer weniger junge Männer gibt, die erfahrungsgemäß am häufigsten Gewalttaten begehen.

Scholz verspricht unterdessen mehr Polizisten auf den Straßen. Die SPD-Niederlage von 2001, die den Populisten Ronald Schill in die Regierung brachte, dürfte unvergessen sein.

© SZ vom 14.02.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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