Guido Westerwelle:Schleppende Existenz in langen Hosen

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Kaum jemals hat man in der jüngeren Vergangenheit die so erfolgreiche Selbstdemontage eines Spitzenpolitikers erlebt wie im Fall von Außenminister Westerwelle. Der FDP-Chef hat sich ein Amt zu viel zugemutet.

Kurt Kister

Für den miserablen Zustand, in dem sich die Bundesregierung befindet, gibt es mehrere Ursachen. Das Grundübel allerdings ist eindeutig: FDP und CSU benehmen sich oft nicht wie Partner, sondern wie politische Gegner.

Angela Merkels genuine Stärke ist nicht das souveräne Führen, sondern das rationale Moderieren. Dies gelingt ihr immer weniger, weil die innerkoalitionäre Vernunft in der Konstellation Schwarz-Gelb deutlich geringer ausgeprägt ist als bei Schwarz-Rot oder auch Rot-Grün. In diesem Sinne kann es Schwarz-Gelb nicht.

"Die können es nicht", war einer der Lieblingssätze des FDP-Matadors Westerwelle in der rot-grünen Zeit. Nun hat man in der jüngeren Vergangenheit kaum jemals eine so erfolgreiche Selbstdemontage eines Spitzenpolitikers erlebt, wie dies derzeit im Falle Westerwelles zu beobachten ist. Der Außenminister Westerwelle findet in der öffentlichen Wahrnehmung kaum statt. Als seine originellste Leistung ist die Forderung nach dem Abzug der in Deutschland verbliebenen US-Atombomben (etwa 20) in Erinnerung. Ansonsten reist er in langen Hosen durch die Welt und fällt als internationaler Minister wenig, als konzeptioneller Außenpolitiker gar nicht auf.

Sein Vorvorgänger Fischer war ein hyperaktiver Minister, der vom Nahen Osten über den Weltkrisengürtel bis zur Zukunft Europas alle Felder besetzte - oft nicht dauerhaft. Aber er wurde von Israelis und Palästinensern als Vermittler geschätzt, starrte Milosevic nieder und widersetzte sich Donald Rumsfeld. Das war nicht immer nur Außenpolitik, sondern oft auch purer Joschkaismus. Aber kaum jemand im In- oder Ausland zweifelte an der Eigenständigkeit deutscher Außenpolitik sowie der des zuständigen Ministers. Fischer nervte manchmal ungeheuer, aber er bewirkte auch vieles.

Schlecht für das Land

Westerwelles schleppende Ministerexistenz schadet zum einen seinem eigenen Ansehen und dem seiner Partei. Zum anderen ist es schlecht für die Bundesregierung, und manchmal sogar für das Land, wenn sich der Eindruck verfestigt, dass aus dem Parteipolitiker kein Außenminister werden mag. Steinmeier schaffte diese Verwandlung,

Westerwelle dagegen ist der einzige deutsche Außenminister, dem es nicht gelungen ist, das hohe institutionelle Ansehen des Amtes wenigstens zum Teil auf die Person zu übertragen. Weil er das Amt so führt, wie er es führt, wird ihm wenig zugetraut.

Bricht dann noch der Parteipolitiker, gar der spätrömische Krawallo in ihm durch, gereicht das ihm, der Regierung sowie seiner Partei zusätzlich zum Nachteil. Westerwelles konfrontative Machtpolitik sowie seine in der Opposition zementierte Ego-Rolle als Parteichef kollidieren nicht nur mit seiner Aufgabe als Außenminister, sondern letztlich auch mit der Funktionsfähigkeit der Koalitionsregierung. Westerwelle muss sich entscheiden, ob er ein besserer Außenminister werden oder ein dominanter Parteichef bleiben will. Beides zusammen kann er ganz offensichtlich nicht.

© SZ vom 22.06.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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