Nach einer mehrstündigen Verzögerung ist Bernardo Arévalo als Guatemalas Präsident vereidigt worden. Grund für die Verzögerung waren interne Streitigkeiten und Formfragen im Kongress. Ursprünglich war die Vereidigung Arévalos für den Sonntagnachmittag geplant gewesen.
Die Verzögerung der Amtseinführung des gewählten Präsidenten hatte zuvor in dem mittelamerikanischen Land für Unruhe gesorgt. Demonstranten durchbrachen am Sonntag Barrikaden und drohten, den guatemaltekischen Kongress zu stürmen, nachdem sich bereits die Vereidigung der Abgeordneten am Vormittag aus ungeklärten Gründen verzögert hatte. Die Polizei verstärkte daraufhin ihre Präsenz in der Hauptstadt Guatemala-Stadt.
"Man versucht, die Demokratie durch Illegalität, Nichtigkeiten und Machtmissbrauch zu untergraben", schrieb Arévalo auf der Online-Plattform X, vormals Twitter. Ausländische Delegationen, die zum Regierungswechsel nach Guatemala-Stadt gereist waren, hatten den Kongress aufgefordert, die Amtseinführung Arévalos nicht zu verhindern. Der an den Wahlurnen zum Ausdruck gebrachte Volkswille müsse geachtet werden, sagte der Generalsekretär der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), Luis Almagro.
Arévalo spricht von einem "Putschversuch"
Die internationale Gemeinschaft, darunter die USA, übt starken Druck auf die scheidende Regierung aus, die Machtübergabe zu vollziehen. Es gebe "keinen Zweifel" daran, dass Arévalo der Präsident Guatemalas sei, sagte die Chefin der US-Hilfsorganisation, Samantha Power. Sie rief alle Seiten zur Ruhe auf.
Arévalo hatte sich bei den Wahlen im August mit großem Vorsprung gegen die ehemalige First Lady Sandra Torres durchgesetzt. Bereits vor der Stichwahl hatte Arévalo erklärt, er rechne im Falle eines Sieges mit Versuchen, ihn an der Amtsübernahme zu hindern. Und tatsächlich versuchte die Generalstaatsanwaltschaft nach seiner Wahl wiederholt, Arévalos Sieg zu diskreditieren und seinen Amtsantritt zu verhindern. Unter anderem sollten Arévalo und seiner gewählten Vizepräsidentin Karin Herrera die juristische Immunität entzogen, die Partei Semilla suspendiert und die Wahl annulliert werden. Die Generalstaatsanwaltschaft verteidigt das Vorgehen als rechtmäßig.
Der "Putschversuch", wie Arévalo ihn nennt, brachte zuletzt Zehntausende Guatemalteken auf die Straße. Kurz vor seiner Vereidigung am Sonntag hatte der Oberste Gerichtshof Guatemalas entschieden, dass die Abgeordneten der Partei Semilla ihr Mandat nicht in Verbindung mit ihrer Partei, sondern als Unabhängige antreten müssen. Dies verhindert ihren Einzug in den Kongress und schwächt die Machtausübung des neuen Präsidenten.
Der 65-jährige Bernardo Arévalo ist der Sohn des ersten demokratisch gewählten Präsidenten des Landes, Juan José Arévalo. Er hat versprochen, die weit verbreitete Korruption in Guatemala zu bekämpfen. Guatemala ist das bevölkerungsreichste Land in Mittelamerika mit 17 Millionen Einwohnern. Die Amtszeit des Präsidenten beträgt vier Jahre.