Grundsatzurteil zum Kita-Ausbau:Der Sonnenkönig zahlt

Ein kleiner Sieg nur für klamme Städte: Das Land wird weiterhin versuchen, Kosten auf sie abzuwälzen - auch nach der Entscheidung zum Finanzausgleich für den Kita-Ausbau.

Joachim Käppner

Wenn es einem barocken Regenten gefiel, eine Aufmarschallee durch ein Stadtviertel zu schlagen oder sich ein neues Schloss zu bauen, zahlten meist die Bürger die Zeche. Die Herrschenden waren chronisch klamm, aber mächtig genug, um die Kosten ihrer großen Vorhaben Schwächeren aufzuwälzen, nämlich ihren Untertanen.

Die Mitglieder des NRW-Verfassungsgerichtshofs verkünden in Münster ihr Urteil im Prozess von 23 Kommunen gegen die Kostenverteilung bei Kita-Plätzen. Städte und Landkreise in Nordrhein-Westfalen müssen für zusätzliche Kosten bei der Kinderbetreuung einen Ausgleich erhalten. Das Land muss demnach die Kommunen für die finanzielle Mehrbelastung entschädigen, die ihnen durch den Ausbau der Kleinkindbetreuung entsteht. (Foto: dpa)

Nicht sehr weit davon entfernt ist das Verständnis, das Bund und Länder heute von den Aufgaben der Kommunen haben. Wenn die höheren Ebenen etwas beschließen wie den Ausbau der Betreuung für Kleinkinder, dann dürfen die Gemeinden zahlen.

Das Verfassungsgericht von Nordrhein-Westfalen hat nun durch ein Grundsatzurteil ein klares Veto ausgesprochen. Seit längerem sind Bund und Länder eigentlich gehalten, das Konnexitätsprinzip zu beachten. Dieses Wortungetüm aus dem Floskelschatz des deutschen Föderalismus bedeutet sinngemäß, dass (wie im Wirtshaus) derjenige bezahlt, der bestellt.

Beim Ausbau der Kinderbetreuung, einem der ganz großen und teuren, gewiss auch nötigen Prestigeobjekte, hat es das Land aber versäumt, seinen Kommunen einen finanziellen Ausgleich zu geben. Es behielt sich selbst vor, darüber zu urteilen, ob der Konnexitäts-Fall vorliegt - so wie der Sonnenkönig entschied, ob ihn die Rechnungen etwas angingen oder doch lieber nicht. Diese gängige Praxis ist ein eklatanter Verfassungsverstoß, gegen den die Kommunen aus guten Gründen und glücklicherweise mit Erfolg geklagt haben.

Es ist ein Fall mehr, der belegt, dass die Städte mehr Mitspracherechte benötigen. Denn die Versuchung, sie per Recht des Stärkeren Dinge bezahlen zu lassen, die sie nicht bestellt haben, wird trotz des Urteils stark bleiben.

© SZ vom 13.10.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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