Bundesnachrichtendienst:Gutachten: Teile des BND-Gesetzes sind verfassungswidrig

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In Bad Aibling empfängt der BND Daten aus dem Ausland. (Foto: dpa)

Die Bundesregierung glaubt, dass das Grundgesetz nur innerhalb der Landesgrenzen gilt. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestag sieht das anders.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Für BND-Mitarbeiter gehört dieser Satz zur argumentativen Grundausstattung: "Der Bundesnachrichtendienst hält sich selbstverständlich an Recht und Gesetz." Nun, nach bald zweieinhalb Jahren Intensivbeschau durch den NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestages lässt sich sagen: Nein, das macht er nicht. Und soll er wohl auch in Zukunft nicht, wenn es nach den Wünschen der Bundesregierung geht. Das hat jetzt der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages festgestellt. Demnach verstoßen Teile des im Juli vorgestellten Entwurfs für ein neues BND-Gesetz ebenso gegen das Grundgesetz, wie das bisher geltende BND-Gesetz.

Es geht um die Überwachung ausländischer Telekommunikation vom Ausland aus - also schlicht um das Kerngeschäft des BND. Das Grundgesetz schützt in Artikel 10 das Telekommunikationsgeheimnis. Es lässt nur unter strengen Auflagen seinen Bruch zu. Die große Frage ist nun: Ist der Schutz des Telekommunikationsgeheimnisses universell? Steht er also allen Menschen zu? Oder gilt der Schutz nur auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und für Deutsche im Ausland?

Die Bundesregierung glaubt, dass das Grundgesetz nur innerhalb der Landesgrenzen gilt. Der Wissenschaftliche Dienst stellt hingegen fest, dass - "der ganz herrschenden Meinung in der Literatur" folgend - auch Ausländern im Ausland der Schutz elementarer Grundrechte zustehen müsse. Dazu zähle auch der Schutz von E-Mails, Telefonaten, Chats oder Facebook-Nachrichten.

"Hinreichende Ermächtigungsgrundlage" notwendig

Wer diesen Schutz durchbrechen wolle, der brauche dafür eine "hinreichende Ermächtigungsgrundlage", heißt es in dem 18-seitigen Gutachten, das der SZ vorliegt. So eine Ermächtigung soll mit dem neuen BND-Gesetz geschaffen werden - allerdings nur für die Auslandsdaten-Erfassung vom Inland aus. Das geschieht etwa an der Kabel- und Satelliten-Abhörstation in Bad Aibling. Für die Überwachung von ausländischen Datenströmen vom Ausland aus fehle hingegen jede Ermächtigung, heißt es in dem Gutachten.

Der Bundesregierung reicht es, dass im BND-Gesetz die Auslandsaufklärung als Aufgabe beschrieben wird. Dem Wissenschaftlichen Dienst ist das zu wenig. In seinem Gutachten wird "festgestellt", dass das BND-Gesetz "den Bundesnachrichtendienst nicht zu Grundrechtseingriffen ermächtigen kann".

In Auftrag gegeben hat das Gutachten der Abgeordnete André Hahn. Er sitzt für die Linke im parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages und im NSA-Untersuchungsausschuss. Das Gutachten zeige, dass das neue BND-Gesetz gravierende Mängel nicht behebe, die in den vergangenen beiden Jahren offensichtlich geworden seien. Die Bundesregierung müsse ihren Gesetzentwurf zurückziehen. Zumindest aber grundlegend überarbeiten. Geschehe das nicht, setze es unweigerlich eine "Ohrfeige vom Bundesverfassungsgericht", warnt Hahn.

© SZ vom 07.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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