Grüne vor der Wahl:In Gefangenschaft der SPD

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Katrin Göring-Eckardt und Jürgen Trittin, die Spitzenkandidaten für die Grünen bei der Bundestagswahl 2013, enthüllen ein neues Wahlplakat (Foto: dpa)

Strebsam, diszipliniert und immer einen Schuss zu sehr von sich selbst überzeugt: Den Grünen geht es gerade sehr gut. Schaffen sie es trotzdem nicht in die Regierung, wird es um die Frage gehen, ob es richtig war, die SPD links zu überholen.

Ein Kommentar von Christoph Hickmann, Berlin

Was Umfragewerte oder sonstige Stimmungsindikatoren betrifft, geht es den Grünen gerade ziemlich gut. Strebsam, diszipliniert und immer einen Schuss zu sehr von sich selbst überzeugt, versuchen sie so etwas wie einen Wahlkampf in Gang zu bringen. Allerdings ist es ja trotz aller Strebsamkeit noch nicht so weit, dass sie den Kanzler stellen oder gar allein regieren könnten. Deshalb haben die Grünen, eigene Stärke hin oder her, auch ein dickes Problem .

Derart fest haben sie sich an die SPD gekettet, dass die Schwäche der Sozialdemokraten sie mit nach unten zieht. Die Grünen haben es bislang zwar vermieden, andere Optionen formal auszuschließen, doch ihre Strategie lässt sich auf die Formel "Rot-Grün oder gar nichts" bringen. Im Fall des Misserfolgs wird dementsprechend eine Debatte fällig sein - wobei Misserfolg heißt: Sie schaffen es auch diesmal nicht in die Regierung.

Es wird dann um die Frage gehen, ob es eigentlich richtig war, die SPD teilweise links zu überholen - oder ob man sich nicht, um das sogenannte rot-grüne Lager mittel- und langfristig mehrheitsfähig zu machen, verstärkt um jene Wähler hätte bemühen müssen, die zwar viel Wert auf Fleisch aus artgerechter Tierhaltung legen, aber weniger Wert auf Dinge wie die Bürgerversicherung. Auch die soll es ja geben.

Die Frage hat ihre Berechtigung - denn so gut die Grünen dastehen mögen, so wenig gelingt es Rot-Grün derzeit, über den ohnehin bestehenden Sympathisantenkreis hinaus Wähler für sich einzunehmen. Trotzdem liegen all diejenigen falsch, die jetzt intern murren, mit dem Bekenntnis zur SPD habe man sich manövrierunfähig gemacht. Sie vergessen, dass dieses Bekenntnis nicht etwa einer Laune des Augenblicks entsprungen ist.

Über Jahre gewachsen

Das Programm der Grünen ist ja nicht über Nacht aus dem Boden geschossen, sondern, wie das bei ihnen üblich ist, über Jahre gewachsen, in einem ausführlichen, teils enervierenden Diskussionsprozess. Dass die Grünen für ordentliche Steuererhöhungen eintreten würden, war deshalb bereits klar, als bei der SPD noch die sogenannte Troika herumeierte. Damit aber war auch die Koalitionspräferenz schon lange weitgehend festgelegt.

Wenn die Grünen für sich selbst das Optimum herausholen wollen, müssen sie die Sache mit Rot-Grün jetzt durchziehen. Sollten sie wieder in der Opposition landen, können sie sich dann gut überlegen, ob sie bis zur nächsten Wahl wieder Richtung Mitte rücken wollen. Ihr Führungspersonal wäre dann ohnehin ein anderes.

Allerdings ist nicht erkennbar, dass die nächste Generation einen völlig neuen Kurs einschlagen würde. Unter den Funktionären und damit auf den Parteitagen dominieren die Linken. Intellektuell starke Gegengewichte wie der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer sind marginalisiert. Die Grünen sollten sich wohl einfach mit dem Gedanken anfreunden, dass sie strukturell wie kulturell eine linke Partei sind. Und damit bis auf Weiteres vom Wohl und Wehe der SPD abhängen.

© SZ vom 08.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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