Man könnte Fußballturniere dort austragen, Popkonzerte ausrichten oder Militärparaden aufmarschieren lassen. Platz genug gäbe es auf den Flugdecks der zwei brandneuen Flugzeugträger, die sich die britische Marine auch in Zeiten knapper Kassen genehmigt. Nur eines wird es wohl nicht geben: britische Flugzeuge, die von diesen Schiffen abheben. Denn für Kampfjets reicht das Geld nicht mehr.
Die bizarre Situation der flugzeuglosen Flugzeugträger ist eine Konsequenz der drastischen Budgetkürzungen von bis zu 25 Prozent, welche die Regierung von Premierminister David Cameron diese Woche bekanntgeben wird, und die auch den Verteidigungshaushalt betreffen. Diese Sparmaßnahmen fallen zeitlich zusammen mit der Vorlage eines neuen Strategiepapiers, das die Aufgaben der britischen Streitkräfte und die Bedrohungen für das Land in den kommenden Jahren neu definiert.
Die Regierung verteidigte die Entscheidung für den fast sechs Milliarden Pfund teuren Bau der beiden Flugzeugträger HMS Queen Elizabeth und HMS Prince of Wales. Da sie bereits auf Kiel gelegt worden seien, wäre es kostspieliger, das Projekt abzublasen, anstatt es zu vollenden. Die Schiffe werden keine Flugzeuge transportieren, weil aufgrund der Sparmaßnahmen zugleich die Flotte der senkrecht startenden Kampfjets vom Typ Harrier aus dem Verkehr gezogen wird. Die Träger können voraussichtlich frühestens 2019 mit neuen Maschinen aus US-Produktion bestückt werden. Bis dahin werden sie mit Hubschraubern und Drohnen bewaffnet sein.
Insgesamt wird die Royal Navy 4000Mann und fünf ihrer 24 Schiffe verlieren, darunter das Flaggschiff, den 25Jahre alten Flugzeugträger Ark Royal. Die Marine ist damit genauso groß wie jene Flotte, die 1588 im Ärmelkanal die spanische Armada besiegte. Die Navy verfügt bis zur Fertigstellung der beiden neuen Schiffe nur noch über einen Flugzeugträger, die HMS Illustrious.
Kritiker des Trägerprogramms weisen darauf hin, dass diese Schiffe zur Abwehr der Bedrohungen des 21. Jahrhunderts ungeeignet sind. Regierung und Militär-Establishment selbst haben als größte Gefahren für die nationale Sicherheit Attacken auf Computernetze, Terrorismus, Naturkatastrophen und Pandemien wie etwa eine weltweite Grippe-Epidemie definiert. Dies sind keine Bedrohungen, die sich mit Flugzeugträgern bekämpfen lassen, selbst wenn diese mit Kampfflugzeugen bestückt wären. In einem Zugeständnis an den liberaldemokratischen Koalitionspartner stimmte der Konservative Cameron darüber hinaus zu, dass die Modernisierung der Nuklearstreitmacht um drei bis fünf Jahre verschoben wird.
Nachfolger für die Vanguard-U-Boote, von denen aus die britischen Trident-Interkontinentalraketen abgefeuert werden, sollen nun frühestens 2027 in Dienst gestellt werden. Mit dieser Maßnahme hofft man auf Einsparungen in Höhe von 750 Millionen Pfund. Die Erneuerung der U-Boot-Flotte würde 20 Milliarden Pfund kosten und wird von den Liberaldemokraten abgelehnt.
Einsparungen wird es auch bei den anderen Waffengattungen und im zivilen Stab des Verteidigungsministeriums geben. Die Luftwaffe verliert eine Reihe von Stützpunkten, die Armee mehr als hundert Panzer und Artilleriegeschütze. Die Zahl der kämpfenden Soldaten wird jedoch kaum gekürzt, um den Einsatz in Afghanistan nicht zu gefährden.
Berichte über die Sparmaßnahmen im Verteidigungshaushalt hatten bereits die Vereinigten Staaten auf den Plan gerufen. Außenministerin Hillary Clinton hatte sich "besorgt" darüber geäußert, ob Amerikas wichtigster militärischer Partner auch in Zukunft imstande sein werde, seinen Teil der Verteidigungsaufgaben zu schultern.
Ein Sprecher des Premierministers teilte mit, dass Cameron mit US-Präsident Barack Obama telefoniert und mit ihm über die Budgetkürzungen gesprochen habe. "Der Premierminister bekräftigte, dass das Vereinigte Königreich eine erstklassige Militärmacht und ein robuster Partner der USA bleiben wird", erklärte der Sprecher. "Wir bekräftigen unsere Verpflichtungen in der Nato und werden weiterhin mit den USA quer durch das gesamte Spektrum der gegenwärtigen Sicherheitsprioritäten zusammenarbeiten." (Seite 4)Wolfgang Koydl