Brexit:Johnson verteidigt geplanten Rechtsbruch als "Versicherungspolice"

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"Ich habe absolut nicht den Wunsch, diese Maßnahmen anzuwenden", sagte Johnson am Montag bei der Einbringung seines Gesetzentwurfs für den britischen Binnenmarkt im Unterhaus. (Foto: via REUTERS)

Vier seiner Vorgänger haben die Idee eines britischen Binnenmarktgesetzes - und damit die Aushebelung der Nordirlandvereinbarungen - verurteilt. Doch der Premierminister gibt sich unbeeindruckt und erklärt, der EU könne man nicht trauen.

Der britische Premierminister Boris Johnson hat die von ihm angestrebte einseitige Änderung des Scheidungsabkommens mit der EU gegen Kritik verteidigt. Teile der rechtskräftigen Vereinbarung bezüglich Nordirlands müssten per Gesetz überschrieben werden, weil die EU sich gegenüber ihrem Ex-Mitglied Großbritannien "extrem und unzumutbar" verhalten könnte. "Ich habe absolut nicht den Wunsch, diese Maßnahmen anzuwenden", sagte Johnson am Montag bei der Einbringung seines Gesetzentwurfs für den britischen Binnenmarkt im Unterhaus. "Sie sind eine Versicherungspolice."

Johnsons Regierung hat eingeräumt, dass Änderungen an den Nordirland-Bestimmungen gegen rechtlich bindende Bestimmungen der Austrittsvereinbarung mit der EU verstoßen würden. Dagegen haben sich mit John Major, Tony Blair, David Cameron und Theresa May gleich vier von Johnsons Amtsvorgängern ausgesprochen - und selbst in seiner Konservativen Partei regt sich Widerspruch. Der Tory-Abgeordnete und während der Brexit-Verhandlungen als Generalstaatsanwalt ranghöchste Justizbeamte, Geoffrey Cox, sagte, die geplanten Änderungen wären ein "skrupelloser" Bruch internationalen Rechts.

Johnsons Sondergesandter für Religionsfreiheit trat aus Protest zurück

Nach May, Blair und Major meldete am Montag auch der frühere konservative Regierungschef Cameron Bedenken zu Johnsons Vorgehen an. "Ein Gesetz im Parlament zu verabschieden und dann einen internationalen Vertrag zu brechen, ist das Allerletzte, was man erwägen sollte", sagte der Initiator des Brexit-Referendums. Johnsons früherer Schatzkanzler Sajid Javid sagte, auch er werde als Abgeordneter Johnsons Gesetz nicht mittragen. Er könne einfach nicht die "präventive Nichteinhaltung" der Austrittsvereinbarung unterstützen. Der konservative Abgeordnete Rehman Chishti trat aus Protest gegen Johnsons Vorhaben als dessen Sondergesandter für Religionsfreiheit zurück. Ihm seien der Respekt von Rechtsstaatlichkeit und das Einhalten gegebener Versprechen sehr wichtige Werte, erklärte er.

Die Regierung verteidigt das Gesetz mit dem Argument, damit werde der Binnenmarkt des Königreichs geschützt, weil die EU gedroht habe, Lieferungen Englands, Schottlands und von Wales nach Nordirland zu blockieren. Es wird erwartet, dass Johnsons Binnenmarktgesetz eine Mehrheit bekommen wird. Bei einer ersten Abstimmung sprach sich allen Warnungen zum Trotz eine deutliche Mehrheit im britischen Unterhaus für Johnsons Vorlage aus. Die Abstimmung gilt als Stimmungsbarometer - in den kommenden Tagen geht die Debatte über den Gesetzentwurf weiter, erst in einer Woche steht das entscheidende Votum an. Danach muss das Gesetz noch das Oberhaus passieren.

Mit der von Johnson selbst mit ausgehandelten Austrittsvereinbarung wurde im vergangenen Jahr der Brexit zum 31. Januar besiegelt. Johnson bezeichnete das damals als Erfüllung seines Versprechens, den Austritt zu vollenden; bei der Parlamentswahl erreichte er daraufhin eine große Mehrheit für seine Konservative Partei. Bis Ende dieses Jahres läuft noch eine Übergangsfrist, in der bisherige Vereinbarungen zwischen der EU und Großbritannien gelten. Sie sollen von einem Handelsabkommen abgelöst werden, mit dem ein "harter Brexit" vermieden werden soll. Die Verhandlungen dazu kamen schon vor Johnsons Änderungsvorstoß nicht voran.

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