Neuwahl in Griechenland:Der neue Premier ist der alte

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Das Gegenteil von Aufregung: Kyriakos Mitsotakis beim Verlassen des Wahllokals am Sonntag. (Foto: ANGELOS TZORTZINIS/AFP)

Bei der zweiten Wahl innerhalb eines Monats galt ein neues Wahlrecht, das der stärksten Partei nützt - der konservativen Nea Dimokratia von Kyriakos Mitsotakis. Sie gewann die absolute Mehrheit. Besonders gut schnitten einige kleine Parteien am rechten Rand ab.

Von Raphael Geiger, Athen

Es gab Zeiten, da waren Wahlen in Griechenland etwas Aufregendes. In den langen Jahren der Krise schaute ganz Europa darauf, wer in Athen regierte und was das für den Kontinent bedeutete. Die Regierungen in Athen wechselten häufig, das Land war in Aufruhr. Diese Zeiten sind offensichtlich vorbei.

Die Wahl am Sonntag endete, wie die meisten Beobachter es vorausgesagt hatten: Der neue Premier ist der alte. Kyriakos Mitsotakis, seit 2019 im Amt, ist für weitere vier Jahre gewählt. Seine konservative Nea Dimokratia (ND) gewann die absolute Mehrheit. Und das wohl vor allem, weil Mitsotakis das Gegenteil von Aufregung versprach: keine Experimente. Allerdings schnitt Mitsotakis etwas weniger stark ab erwartet, was vor allem an einigen Kleinparteien am rechten Rand liegt, die es ins Parlament schafften.

Die Wahl war die zweite innerhalb eines Monats, weil bei der ersten Wahl am 21. Mai keine Partei eine Regierung bilden konnte. Nun, bei der Neuwahl, galt erstmals ein von Mitsotakis eingebrachtes neues Wahlgesetz, wonach die stärkste Partei bis zu 50 Bonussitze im Parlament bekommt.

Die linke Syriza schneidet noch schlechter ab als bei der Wahl im Mai

So kommt es, dass die ND mit 40,6 Prozent der Stimmen keinen Koalitionspartner braucht, sie kommt auf 158 von 300 Sitzen. Die linke Syriza von Alexis Tsipras, Mitsotakis' Vorgänger, kommt auf ein noch schlechteres Ergebnis als bei der Wahl im Mai: Mit knapp 17,8 Prozent der Stimmen liegt sie nicht mehr weit vor der drittstärksten Kraft, der sozialdemokratischen Pasok, die auf 11,9 Prozent kommt.

Das restliche Spektrum ist stark zersplittert. Im Parlament sitzt weiterhin die kommunistische KKE, außerdem die rechtsnationale "griechische Lösung". Neu dabei: die Niki, eine religiös-rechte Partei mit Nähe zum orthodoxen Mönchtum wie zu Putin. Auf 4,7 Prozent kommen die "Spartaner", die Nachfolger der Neonazi-Partei "Goldene Morgenröte". Ihr Anführer sitzt im Gefängnis.

Das neue griechische Parlament also ist stark rechtslastig, und das jenseits der regierenden ND, die selbst das rechte Publikum bedient. In der Krise neigten die meisten griechischen Wählerinnen und Wähler eher zu linkem Populismus als zu rechtem, auch das scheint vorbei zu sein.

Es ist nicht so, dass Mitsotakis unumstritten durch seine erste Amtszeit gekommen wäre. Gerade vergangene Woche erschütterte das Land das Bootsunglück vor der Küste des Peloponnes, bei dem vermutlich mehrere Hundert Menschen starben - die Überlebenden werfen der griechischen Küstenwache daran zumindest eine Mitschuld vor.

Die Pushbacks, das Zugunglück, der Abhörskandal: alles offenbar nicht entscheidend

Doch Mitsotakis, der für einen harten Kurs gegen Geflüchtete steht, illegale Pushbacks in der Ägäis eingeschlossen, blieb politisch unbeschadet. Auch das schwere Zugunglück im Februar mit mindestens 57 Toten, das auf Mängel im Bahnwesen und damit im Staatsapparat hindeutete, konnte ihm nichts anhaben. Ebenso wie ein Abhörskandal im vergangenen Jahr: Der griechische Geheimdienst, Mitsotakis direkt unterstellt, hatte unter anderen den heutigen Chef der Oppositionspartei Pasok belauscht.

All das war für die Wählerinnen und Wähler offenbar nicht entscheidend. Mitsotakis' Anhänger unterstützen seine Migrationspolitik mehrheitlich, dazu sehen sie in ihm den Mann, der dem Land endlich einen Neuanfang ermöglicht hat. Als Mitsotakis im Sommer 2019 seinen Vorgänger Alexis Tsipras ablöste, hatte der jahrelang das Sparprogramm von Griechenlands Gläubigern umgesetzt. Er hinterließ Mitsotakis einen zarten Aufschwung.

Der verstärkte sich in den Jahren danach. Während der Pandemie sorgte Mitsotakis dafür, dass viele Griechinnen und Griechen sich erstmals vom Staat unterstützt fühlten - mit regelmäßigen Zahlungen. Der Staat trat mit dem Portal Gov.gr zum ersten Mal digitalisiert auf. Seit vergangenem Jahr boomt der Tourismus wieder, die Wirtschaft wächst.

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Alexis Tsipras dagegen blieb wohl für viele im Land das Gesicht der Krise. Im Wahlkampf versprach er linke Politik, mehr Gerechtigkeit, diesmal "ohne Troika, ohne Schäuble". Schäuble? Das hörte sich an, als lebte Tsipras noch immer in der Vergangenheit. In jener Zeit, als er als Premier das Sparprogramm umsetzte, das abzuwenden er Anfang 2015 gewählt worden war. Tsipras schaffte es nie, sich von dem Stigma des Verrats zu befreien.

Mitsotakis' Sieg, so sehen es viele in Griechenland, ist vor allem die Niederlage der Syriza, also von Tsipras. Die Frage wird sein, ob sich Alexis Tsipras nun noch als Parteivorsitzender und Oppositionsführer halten kann. Andererseits hat seine Partei kaum eine andere Figur, die ihn ersetzen könnte. Möglich, dass sich die Syriza in den nächsten Jahren der Bedeutungslosigkeit nähert - die Partei, die aus der Krise heraus entstanden war.

Sehr viele Griechinnen und Griechen sahen am Sonntag gar keine Alternative für sich. Die Wahlbeteiligung lag bei nur knapp über 52 Prozent. Vielleicht auch das ein Zeichen, dass die aufreibenden Krisenjahre vorbei sind: In Griechenland haben viele keine Lust mehr auf Politik. Kyriakos Mitsotakis, der alte und neue Premierminister, kann damit gut leben.

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