Gordon Brown und der News of the World-Skandal:Spätes Entsetzen

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Die Murdoch-Presse setzte Schnüffler auf Politiker und Prominente an, um deren Privatleben genüsslich auszuschlachten. Darüber empören sich viele Briten völlig zu Recht, auch Ex-Premier Gordon Brown, der selbst Opfer dieses Krawall-Journalismus geworden ist. Doch wie glaubwürdig ist Browns Entrüstung, jetzt, da er längst aus dem Amt ist und die Boulevardpresse nicht mehr braucht?

Nicolas Richter

In ihrer Lebewohl-Ausgabe hat die News of the World daran erinnert, was sie in 168 Jahren vollbracht habe. Zwar hätten "einige Mitarbeiter" beim Einhacken in fremde Telefone zuletzt schwere Fehler begangen, aber es bleibe doch viel Gutes. Die Kampagnen gegen Pädophile etwa. Und an Weihnachten habe die Redaktion die Kinder aller britischen Soldaten in Afghanistan beschenkt. Kinder also. Die Schwächsten. Für die wollen die Blätter des Verlegers Rupert Murdoch immer besonders gekämpft haben.

Dabei verachten etliche Briten die Murdoch-Presse gerade deswegen, weil die eben sogar Kinder, gar junge Gewaltopfer, zu Lieferanten von Exklusivware erniedrigt hat. Es stellt sich heraus, dass Murdochs Sun illegal in der Krankenakte der Familie von Ex-Labour-Minister Gordon Brown wühlte, um 2006 zu vermelden, dass das Baby der Browns an Mukoviszidose litt. Sun, News of the World, gar die Sunday Times - alle haben Schnüffler auf Mitbürger angesetzt, um privates Leben und Leiden auszuschlachten. In vielen dieser Fälle war gerade Rebekah Brooks Chefredakteurin. Heute leitet sie Murdochs Zeitungsgeschäft. Der gewöhnliche Anstand würde ihren Rücktritt gebieten, aber das ist im Hause Murdoch keine ernst zu nehmende Kategorie.

Doch wie glaubwürdig kann sich die britische Politik jetzt über diese Schäbigkeit entrüsten? Gordon Brown gibt sich heute - zu Recht - entsetzt über die Schnüffler, die nicht nur ihm zugesetzt haben, sondern auch vielen seiner oftmals wehrlosen Landsleute. Als Brown allerdings noch an der Macht war, als Minister oder Premier, klagte er selten über diese Exzesse. Der Unterschied zu damals besteht darin, dass er die Krawallpresse jetzt nicht mehr braucht.

© SZ vom 13.07.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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