Gesundheitssystem:Bei Anruf Arzt

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Der Finanzierungsbedarf allein für die kurzfristige Stabilisierung des Kranken-und Pflegeversicherungssystems betrage im laufenden Jahr mindestens 4,5 Milliarden Euro, heißt es von den Kassen. (Foto: Fabian Strauch/dpa)

Gesundheitsminister Lauterbach will die Notaufnahmen in den Krankenhäusern entlasten - mit einer medizinischen Ersteinschätzung am Telefon.

Von Angelika Slavik und Rainer Stadler, Berlin

Die Notfallversorgung in Deutschland soll grundlegend neu organisiert werden - so steht es in dem Konzept, das eine Expertenkommission im Auftrag von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erarbeitet hat. Die oft überforderten Notaufnahmen in den Krankenhäusern sollen entlastet werden, gleichzeitig soll es für Patientinnen und Patienten einfacher werden, die richtige Anlaufstelle zu finden und schneller versorgt zu werden. "Das Krankenhaus muss im Notfall nicht immer die erste Adresse sein", sagte Lauterbach. Aber es müsse schnelle Hilfe anbieten können.

Konkret empfiehlt die Kommission den Aufbau neuer Leitstellen in ganz Deutschland. Menschen, die sich im Notfall an den Rettungsdienst unter der Notrufnummer 112 oder an den kassenärztlichen Notdienst unter der 116117 wenden, sollen künftig durch so eine Leitstelle eine erste Einschätzung bekommen - direkt am Telefon oder per Videoanruf. Auf dieser Basis sollen sie einer passenden Notfallbehandlung zugewiesen werden. Das kann die Notaufnahme im Krankenhaus sein oder - etwa bei Problemen aus dem Pflegebereich - ein mobiler Einsatzdienst, der zu den Patienten geschickt wird. Bei weniger dringenden Fällen soll die Leitstelle für die Patienten auch schnelle Termine in Facharztpraxen organisieren.

Das Personal für die neuen Leitstellen müsste hochqualifiziert sein

Neu geschaffen werden sollen nach den Vorstellungen der Experten zudem sogenannte integrierte Notfallzentren. Sie sollen aus einer Notaufnahme eines Krankenhauses sowie einer Notfallpraxis niedergelassener Ärztinnen und Ärzte bestehen. Direkt bei der Aufnahme sollen die Patienten dann der passenden Versorgungsschiene zugewiesen werden.

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Das Konzept ist auch eine Reaktion darauf, dass vor allem an den Wochenenden, wenn reguläre Praxen geschlossen haben, viele Kranke in die Notaufnahmen kommen, die eigentlich von niedergelassenen Ärzten versorgten werden könnten. Man wolle dennoch keine Hürden wie zusätzliche Gebühren einführen, um die Menschen vom Besuch der Notaufnahmen abzuschrecken, sagte Tom Bschor, der Leiter der Regierungskommission. Vielmehr wolle man die neue telefonische Leitstelle so attraktiv machen, dass Menschen aus eigenem Antrieb zuerst dort anrufen würden.

Das Personal, das es brauchen würde, um eine solche Leitstelle deutschlandweit ohne Wartezeiten für die Anrufenden zu betreiben, müsse hochqualifiziert sein, sagte Minister Lauterbach. Alternativen zu den Neuerungen gebe es nicht, denn die aktuelle Struktur sei "extrem ineffizient". Möglicherweise werde der Personalbedarf langfristig sogar sinken.

Die Pläne sind der nächste Schritt bei Lauterbachs Versuch, das Gesundheitssystem in Deutschland neu zu organisieren. Ende vergangenen Jahres hatte der Minister bereits Pläne vorgestellt, wie die Krankenhäuser neu strukturiert werden sollen. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) stellte dazu ebenfalls am Montag eine Studie vor, die sich mit den Auswirkungen von Lauterbachs angestrebter Reform befasst. DKG-Chef Gerald Gaß sagte, diese Zahlen ließen keinen Zweifel daran, dass Fusionen und Schließungen nötig seien. Das vorhandene Personal werde nicht ausreichen, um alle derzeitigen Standorte weiter zu betreiben.

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