Museen:Neuseeländische Delegation nimmt Ahnenschädel entgegen

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In einer feierlichen Zeremonie wird die Rückgabe des Ahnenschädels vollzogen. (Foto: Boris Roessler/dpa)

Es ist eine Heimreise nach langer Zeit: Ein Ahnenschädel der Maori aus der naturkundlichen Sammlung des Wiesbadener Museums kehrt nach Neuseeland zurück. Dies ist jedoch nicht nur ein Abschluss, sondern auch ein Beginn.

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Wiesbaden (dpa/lhe) - Bei einer feierlichen Zeremonie mit viel Gesang ist am Mittwoch ein Maori-Ahnenschädel vom Museum Wiesbaden an Neuseeland zurückgegeben worden. Der sogenannte Toi Moko hatte sich in einer naturkundlichen Sammlung des 19. Jahrhunderts befunden, wo er vor der Öffentlichkeit verborgen verwahrt wurde, wie das Wissenschaftsministerium mitteilte.

Solche Schädel wurden von den Ureinwohnern Neuseelands zum Andenken an besonders geehrte Ahnen oder als Kriegstrophäe aufbewahrt. Eine neuseeländische Delegation holte den tätowierten und konservierten menschlichen Schädel ab.

Die Rückgabe erfolgt im Rahmen eines neuseeländischen Programms, bei dem eine Delegation mehrere Stationen in Deutschland besuchte. Erst Ende Mai waren beispielsweise in Mannheim drei mumifizierte menschliche Maori-Köpfe aus den Reiss-Engelhorn-Museen an Neuseeland zurückgegeben worden.

„Toi Moko sind sterbliche Überreste unserer Ahnen. Auch wenn sie viele Jahre von ihrem Heimatland getrennt waren, hat ihre kulturelle Verbindung Zeit und Entfernung überdauert“, erläuterte Delegationsleiter Te Herekiekie Haerehuka Herewini. Laut Schätzungen seien zwischen den Jahren 1770 und 1840 rund 300 Toi Moko aus Neuseeland entfernt worden. „Die Repatriierung ist ein wichtiger Schritt voran, weil sie hilft, frühere Untaten zu versöhnen.“

Die Zeremonie galt vor allem dem rituellen Abschied des Ahnen und seiner Vorbereitung auf dem Weg in die Heimat, erläuterte das Wissenschaftsministerium. Es sei um viel mehr gegangen als nur um eine Rückgabe, betonte Wissenschaftsministerin Angela Dorn (Grüne). „Wir wissen nicht genau, unter welchen Umständen der Toi Moko nach Europa kam, aus heutiger Sicht jedenfalls ist ein solcher Umgang mit menschlichen Überresten nicht angemessen.“

Wissenschaftler des Museums Te Papa werden den Toi Moko nach seiner Rückkehr nach Neuseeland weiter erforschen, um seine genaue Herkunft zu ermitteln, erläuterte das Wissenschaftsministerium. Dafür würden insbesondere seine Tätowierungen herangezogen. Der Ahnenschädel solle möglichst seiner Herkunftsgemeinschaft zurückgegeben werden.

Das Museum Wiesbaden wird den Angaben zufolge in Kooperation mit dem Institut für Rechtsmedizin an der Universitätsklinik Frankfurt zudem elf weitere menschliche Schädel untersuchen. Sie seien mit hoher Wahrscheinlichkeit gemeinsam mit dem nun zurückgegebenen Toi Moko durch den Arzt und Naturforscher Ernst Albert Fritze während seiner Tätigkeit bei der niederländischen Ostindienkompanie in den 1830er Jahren zusammengetragen worden.

„Die Sammlungen des Landes arbeiten Hinweise auf menschliche Überreste in ihren Beständen systematisch auf“, erläuterte ein Sprecher des hessischen Wissenschaftsministeriums. Dabei handele es sich den bisherigen Erkenntnissen zufolge in den allermeisten Fällen um medizinische Präparate aus Europa. Im Januar 2022 seien beispielsweise die menschlichen Überreste zweier Soldaten des französischen Heeres aus dem Sammlungsbestand des Landesmuseums Darmstadt auf dem Soldatenfriedhof in Metz beigesetzt worden.

„Rund 25 außereuropäische menschliche Überreste befinden sich nach aktuellem Stand der Forschungen in den musealen Sammlungen des Landes“, erläuterte das Ministerium.

© dpa-infocom, dpa:230606-99-962760/4

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