Nachruf:Architekt der Zeitenwende

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George Shultz 1985 mit Präsident Ronald Reagan (l.) und George Bush (r.), damals Vize-Präsident, im Weißen Haus. (Foto: Barry Thumma/dpa)

George Shultz war der gewiefte Taktiker an der Seite von US-Präsident Ronald Reagan, ohne den der Kalte Krieg nicht so friedlich zu Ende gegangen wäre. Nun ist er einhundertjährig gestorben.

Von Stefan Kornelius, München

Tumult und Triumph sind nicht untypische Aggregatzustände eines Politikerlebens, und nur wenige haben sie so ausdauernd und intensiv ausgekostet wie George Shultz. Im Erinnerungsband "Turmoil and Triumph" beschreibt Shultz seine Zeit als Außenminister unter Präsident Ronald Reagan. Nicht weniger chaotisch, letztlich aber auch erfolgreich, waren seine Jahre mit Richard Nixon in einer ganzen Reihe von Kabinettsverwendungen. Nun ist Shultz als einer der letzten Schlüsselakteure aus der Zeit des Kalten Kriegs im Alter von 100 Jahren gestorben.

Höhepunkt des politischen Lebens waren die sechseinhalb Jahre als Außenminister von 1982 an, in denen der Pragmatiker und Realpolitiker Shultz mit dem Kommunistenfresser Ronald Reagan eine womöglich einmalige Konstellation schaffte: Shultz war es, der als Erster die Reformabsichten des sowjetischen Staats- und Parteichefs Michail Gorbatschow erkannte und in dessen Außenminister Eduard Schewardnadse einen Mitspieler fand.

Mehr als 30 Mal trafen sich Shultz und Schewardnadse zwischen 1985 und 1988 und bereiteten eine Annäherung vor, die schließlich im Finale des Kalten Krieges mündete.

Auch wenn Shultz den Mauerfall nicht mehr im Amt erleben sollte: Ohne seine beharrliche Vorbereitung und die unter seiner Führung ausgehandelten Abrüstungsverträge wären die Spannungen zwischen dem Warschauer Pakt und dem Nato-Bündnis nicht geringer und der Kollaps der Sowjetunion am Ende nicht wahrscheinlicher geworden.

Der Gipfel im Holzhaus befreite Europa von der Atomkriegsgefahr

Symbolischer Höhepunkt dieser beharrlichen Diplomatie war das Gipfeltreffen zwischen Gorbatschow und Reagan am 11. und 12. Oktober 1986 in Reykjavik, bei dem sich die beiden Staatsführer und ihre Außenminister in einem weißen Holzhaus ohne viel Pomp zusammensetzten.

Kurze Zeit später einigten sich die Supermächte auf die Reduzierung der Zahl ihrer strategischen Atomwaffen und die Abschaffung der atomaren Mittelstreckenwaffen, was die Gefahr eines Nuklearkrieges vor allem in Mitteleuropa drastisch reduzierte. Deutschland wurde schlagartig von der innenpolitischen Last des Nato-Doppelbeschlusses und der Nachrüstungsdebatte befreit.

Shultz wurde 1920 in New York geboren, wuchs in New Jersey auf und studierte später Wirtschaft in Princeton. In den letzten beiden Kriegsjahren kämpfte er als Marineinfanterist im Pazifik und war unter anderem bei der verlustreichen Landung auf Palau dabei. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte Shultz sein Studium fort und schloss mit einer Dissertation zur Arbeitslehre ab.

Sein Arbeitsleben richtete Shultz auf pragmatisch amerikanische Art zwischen Wissenschaft, Industrie und Regierung ein mit ersten Stationen an der Universität von Chicago, später Stanford und in der Eisenhower-Regierung.

1969 konnte er dem Sog der Politik endgültig nicht mehr widerstehen und trat als Arbeitsminister in die Regierung Nixon ein. Nur ein Jahr später übernahm er das neu gegründete Aufsichtsbüro für Haushalt und Regierungsführung. Nixon unterworfen hat sich Shultz allerdings nie. Den Tumulten der Endphase entging er als Finanzminister mit kluger Neutralität.

1982 berief ihn Reagan zum Außenminister, um den schlechten Start seiner Regierung gerade im Nahen Osten und gegenüber der Sowjetunion zu retten. Shultz erwies sich als Glücksgriff, weil er die ideologische Einseitigkeit und den Mangel an Detailinteresse des Präsidenten überkompensierte. Für Moskau war er schnell die eigentliche Anlaufstation in Washington.

Dennoch blieb sein Verhältnis zu Reagan nicht ungetrübt. Die Parallel-Außenpolitik des Präsidenten mit Hilfen der CIA und des Nationalen Sicherheitsrats, kulminiert in der Iran-Contra-Affäre, sorgten für den gerne zitierten Tumult. Dreimal musste Shultz mit Rücktritt drohen. Am Ende blieb er - und gilt nun als der Mann, der den Kalten Krieg zu Ende verhandelte.

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