Unbemerkt von der Öffentlichkeit haben sich Deutschland und die Schweiz auf ein sogenanntes No-Spy-Abkommen geeinigt, das seit Anfang des Jahres besteht. Darin verpflichten sich beide Länder, im jeweils anderen Staat nicht zu spionieren. Nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR wurde das Abkommen 2016 ausgehandelt und im Januar 2017 unterschrieben.
Auf der deutschen Seite unterzeichnete der Staatssekretär für die Koordination der Nachrichtendienste, Klaus-Dieter Fritsche. Das Kanzleramt führte selbst die Verhandlungen mit der Schweiz. Dort war das "Eidgenössische Department für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport" beteiligt. Offiziell wollte das Kanzleramt auf Anfrage keine Stellung nehmen. In Schweizer Regierungskreisen wurde bestätigt, dass es ein Abkommen gebe.
Exklusiv Spionage:Schweiz platzierte Spitzel in deutscher Finanzverwaltung
Ein Informant bei den Steuerbehörden in Nordrhein-Westfalen sollte Material über deutsche Fahnder preisgeben. Der Auftrag kam angeblich vom Vize-Chef des eidgenössischen Geheimdiensts.
Abkommen fällt zeitlich mit Spionage-Affäre zusammen
In dem "Memorandum of Understanding" zwischen den Regierungen heißt es, beide Staaten verzichteten darauf, einander auszuspionieren. Außerdem sollen Operationen gegen Dritte im jeweils anderen Land koordiniert werden: Beobachtet der deutsche Bundesnachrichtendienst eine ausländische Botschaft in der Schweiz oder eine kriminelle Organisation, so muss er dies zuvor mit der Schweiz abgestimmt haben. Dies gilt umgekehrt für den Schweizer Geheimdienst. Das Memorandum bindet alle deutschen und Schweizer Dienste.
Nach der Affäre um abgehörte Telefonate durch den US-Geheimdienst National Security Agency (NSA) hatte sich die Bundesregierung darum bemüht, einen solchen Vertrag mit den USA abzuschließen. Die Verhandlungen scheiterten allerdings an der fehlenden Bereitschaft Washingtons.
Das Abkommen mit der Schweiz ist pikant, weil es zeitlich mit der Affäre um den mutmaßlichen Schweizer Agenten Daniel M. zusammenfällt. Dieser wurde erst kürzlich in Frankfurt verhaftet. Der Generalbundesanwalt verdächtigt ihn, im Auftrag des Schweizer Geheimdienstes "Nachrichtendienst des Bundes" (NDB) von 2012 bis mindestens Ende 2015 deutsche Steuerfahnder ausgeforscht zu haben.
Gab es den Spitzel überhaupt?
Die Schweiz hatte mit dem Einsatz des mutmaßlichen Agenten darauf reagiert, dass die Steuerverwaltung in Nordrhein-Westfalen seit 2010 Kundendaten aus der Schweiz kaufte, um deutsche Steuerflüchtlinge zu überführen. Die Schweiz sah darin einen strafbaren Angriff auf das Bankgeheimnis. Die Spionageaktion des Schweizers Daniel M. stellt aber nach bisherigen Erkenntnissen keinen Verstoß gegen das No-Spy-Abkommen dar.
Seine möglichen Taten dürften zeitlich vor dem Inkrafttreten des Abkommens liegen. Zwar wirft ihm der Generalbundesanwalt laut Haftbefehl vor, er habe einen Maulwurf in die nordrhein-westfälische Finanzverwaltung eingeschleust. Bislang ist aber nicht klar, ob es diesen Spitzel überhaupt gegeben hat.
Politisch haben sich Konflikte zwischen Bern und Berlin ohnehin beruhigt. Die Schweiz hat sich auf internationalen Druck hin verpflichtet, demnächst am automatischen Informationsaustausch über Bankkunden teilzunehmen.