Spionage:Schweiz platzierte Spitzel in deutscher Finanzverwaltung

Switzerland's Defence Minister Parmelin and Swiss Federal Intelligence Service (NDB) director Seiler attend a news conference in Bern

Kein Streichelzoo sei der Schweizer Geheimdienst, sagte sein Chef Markus Seiler (li., neben ihm Verteidigungsminister Guy Parmelin) am Dienstag in Bern.

(Foto: Arnd Wiegmann/Reuters)
  • Die Schweiz soll einen Geheimagenten in der Finanzverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen platziert haben.
  • Der Spion sollte Informationen zum Ankauf von Steuer-CDs sammeln.
  • Die Operation wurde offenbar vom Vize-Chef des Schweizer "Nachrichtendienst des Bundes" gesteuert.

Von Georg Mascolo, Klaus Ott und Nicolas Richter

Der Schweizer Geheimdienst soll einen bisher nicht identifizierten Spitzel im "Geschäftsbereich" der Finanzverwaltung von Nordrhein-Westfalen platziert haben. Nach Informationen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR ergibt sich dies aus dem Haftbefehl gegen den am vergangenen Freitag in Frankfurt verhafteten Schweizer Agenten Daniel M.

Demnach sollte die Quelle im Behördenapparat "unmittelbare Informationen" darüber beschaffen, wie deutsche Behörden beim Ankauf sogenannter Steuer-CDs aus der Schweiz vorgehen. Die Steuerverwaltung in Nordrhein-Westfalen hatte von 2010 an Daten der Credit Suisse und weiterer Institute über deutsche Kunden angekauft. Diese Kunden hatten Vermögen in der Schweiz versteckt, um einer Besteuerung in Deutschland zu entgehen. Der systematische CD-Kauf empörte die Schweizer Regierung. Daraufhin entstand der Plan, die deutsche Steuerverwaltung auszuforschen.

NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) sagte Mittwochabend, mit dem "in unserer Finanzverwaltung" platzierten Informanten erreiche der Schweizer Steuer-Skandal eine neue Dimension. Der Minister sprach von einem "Agententhriller". Er sei gespannt, wie der Schweizer Nachrichtendienst dies erkläre.

Die Operation in Deutschland war offenbar von höchster Stelle im Schweizer Geheimdienst "Nachrichtendienst des Bundes" (NDB) gesteuert worden. Verantwortlich war dem Haftbefehl zufolge der stellvertretende Leiter des NDB. Zunächst erteilte der Geheimdienst im Jahr 2012 einen Auftrag an den Privatdetektiv Daniel M., einen früheren Polizisten und Sicherheitsberater. Daniel M. sollte sein Kontaktnetzwerk nutzen, um die Arbeitsweise der deutschen Behörden zu durchleuchten.

Er soll beim Schweizer Geheimdienst mehrere Ansprechpartner gehabt haben. Für die Kommunikation war ein Mobiltelefon mit einer Prepaid-Karte vorgesehen, das M. von den Agenten erhalten hatte. Der Geheimdienst NDB hatte zu diesem Zeitpunkt bereits eine Liste mit den Namen und persönlichen Daten deutscher Steuerfahnder angefertigt. M. erhielt den Auftrag, diese Liste zu vervollständigen. Dabei half ihm ein ehemaliger Kriminaloberrat aus Deutschland, der nun als Sicherheitsberater tätig war.

Dem Haftbefehl zufolge gelang es M. und seinem Helfer, die Liste zu vervollständigen. Damit war es den Schweizer Behörden möglich, die deutschen Steuerfahnder zu identifizieren, die am Ankauf der Bankdaten beteiligt gewesen waren. Dies soll dann auch die Grundlage gewesen sein für mehrere Haftbefehle der Schweizer Justiz gegen deutsche Steuerfahnder. Darin wird den deutschen Beamten unter anderem "nachrichtliche Wirtschaftsspionage" vorgeworfen und "Verletzung des Bankgeheimnisses".

Deutsche Ermittler wissen offenbar nicht, wer die Quelle ist

Für Daniel M. und seinen Helfer allerdings war die Arbeit damit nicht beendet. Laut Haftbefehl sollen sie eine Quelle, also einen Spitzel, im Geschäftsbereich der nordrhein-westfälischen Finanzverwaltung "platziert" haben. Offenbar wissen die deutschen Ermittler nicht, wer das gewesen sein soll. Jedenfalls sollte sie den Schweizer Agenten verraten, wie die Steuerfahnder beim Ankauf von Kundendaten aus der Schweiz vorgingen. Der Ankauf von Bankdaten durch deutsche Steuerbehörden hatte sowohl die Schweizer Finanzinstitute als auch die Regierung in Bern massiv unter Druck gesetzt.

In den Daten fanden sich Beweise dafür, dass Schweizer Banken systematisch das Geld deutscher Steuerflüchtlinge versteckt hatten. Inzwischen hat die Schweiz auf internationalen Druck hin zugesagt, an einem automatischen Austausch von Bankdaten teilzunehmen. Agent M. soll dem Haftbefehl zufolge Anfang des Jahres 2015 die Nachricht erhalten haben, dass sein Spitzel in der Steuerverwaltung in NRW demnächst erste Informationen preisgeben werde. Für die Operation soll der Schweizer Geheimdienst insgesamt 90 000 Euro zugesagt haben, von denen mindestens 60 000 Euro auch an M. und seinen deutschen Partner geflossen sein sollen. Der größte Teil des Geldes soll als "Motivationszahlungen" an unbekannte Personen geflossen seien, die wiederum an der Spionage-Operation beteiligt gewesen seien.

M. wurde am Freitag in einem Frankfurter Hotel festgenommen; den Haftbefehl hatte der Bundesgerichtshof bereits im Dezember 2016 erlassen. Ihm wird Agententätigkeit für eine fremde Macht vorgeworfen.

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