Garri Kasparow im Porträt:Im Clinch mit dem Kreml

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Mit 22 Jahren wurde Kasparow Schachweltmeister - nicht zuletzt wegen seiner Angriffslust. Heute attackiert er als Führer der Oppositionspartei Das andere Russland seinen politischen Gegner: Putin.

Frank Nienhuysen

Es gab eine Zeit, als Garri Kasparow noch zurückhaltend war und gar nicht angriffslustig. Aber das ist lange her. Er war fünf Jahre alt, als er seine Eltern einmal ganz in Ruhe beim Schachspiel beobachtete. "Ich hatte noch nie Schach gespielt", erinnert er sich in einem Buch, "aber ich sah gespannt zu, wie sie sich abmühten. Am nächsten Morgen zeigte ich ihnen den Zug, der zur Lösung führte." Seitdem hat Kasparow attackiert, im Schach und später auch in der Politik.

Garri Kasparow: vom jüngsten Schachweltmeister zum Putin-Kritiker. (Foto: Foto: dpa)

Im Alter von 22 Jahren wurde er der jüngste Schachweltmeister der Geschichte, mit Risikofreude und Kreativität. Heute ist er 43, und nun greift er einen anderen Gegner an, den vielleicht stärksten, den er je hatte: Russlands Präsident Wladimir Putin. Aber mit Finesse kommt Kasparow im politischen Russland nicht weit, und angriffslustig sind auch andere. Gleich 15 Sicherheitsbeamte kamen am Dienstag ins Büro der Vereinigten Bürgerfront in Moskau und beschlagnahmten Unterlagen des Oppositionsbündnisses, das Kasparow führt.

Das war der zweite Zug gegen Kasparow binnen weniger Tage. Kurz zuvor war er aus der ARD-Sendung "Sabine Christiansen" ausgeladen worden. Aus technischen Gründen, sagt der Sender - nach Einspruch des russischen Botschafters, sagen andere.

Für Kasparow ist der Kampf für politische Freiheit in Russland eine persönliche Mission, und so will er an diesem Samstag die Menschen mobilisieren für einen Marsch gegen die Politik Putins, die er oft gegeißelt hat. Russland sei auf dem Weg zur Diktatur, sagt er. Mit seiner Bürgerfront will er versuchen, "das Regime im Kreml zu demontieren". Doch die Chancen dafür stehen schlecht. Als grandioser Schachspieler stand er stets ganz oben; als Zwölfjähriger, damals zur Sowjetzeit, wurde der in Baku geborene Kasparow aserbaidschanischer Meister, mit 17 internationaler Großmeister, mit 18 Erster der Weltrangliste.

Gleichzeitig war er immer ein oppositioneller, ein Gegner des Establishments, ein Rebell. Auf die Frage, was für ihn eine Versuchung sei, hat er einmal geantwortet: "Je nach Situation und meiner Stimmung: von gutem Essen bis hin zum Wunsch, einen Streit auszutragen." Und dazu hatte er oft Lust.

1981 überwarf er sich mit dem sowjetischen Schachverband, weil er den damaligen Weltmeister Anatolij Karpow nicht mit Analysen unterstützen wollte. 1997 boykottierte er eine Weltmeisterschaft, weil er der Meinung war, der Sponsor sei durch Drogen- und Waffenhandel reich geworden. Auch Michail Gorbatschow, auf dessen Seite Kasparow anfangs gestanden war, griff er scharf an, während er den Westen mahnte, Gorbatschow nicht als Helden aufzubauen.

Nie hat er seine Kraft zur Analyse dem Schach allein gewidmet; diese Welt war ihm zu eng. 1990 schloss sich Kasparow der Demokratischen Partei an, bekannt wurde sein politischer Einsatz vor allem 2004, als er das Komitee 2008 gründete, eine oppositionelle Allianz der Demokraten. Aber auch innerhalb der Demokraten hat Kasparow Gegner, denn nicht alle wollen sich seiner Radikalität beugen. Und so ist der Titel eines seiner Bücher schon widerlegt, der lautet: "Ich gewinne immer."

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