Die Szene ist aus einem Bus in Hamburg heraus gefilmt und leicht verwackelt: Dutzende schwarz vermummte Männer laufen entschlossen vor dem Fenster vorbei, manche mit Pyrotechnik ausgestattet. Szenenwechsel, nun von einem Balkon aus gefilmt: Die Vermummten laufen durch die Elbchaussee, manche zünden Autos an, werfen Schaufensterscheiben ein. Die Sequenzen sind Teil der Öffentlichkeitsfahndung im Internet geworden, mit der Hamburger Polizei und Staatsanwaltschaft nach mutmaßlichen G-20-Gewalttätern suchen. Anhand der Fotos und Videos soll die Öffentlichkeit helfen, insgesamt 104 Beschuldigte zu identifizieren.
20 Gesuchte seien identifiziert, teilte die Polizei nun mit. Zehn von ihnen sollen Steine oder Flaschen auf Beamte geworfen, neun an Plünderungen beteiligt gewesen sein. Einer der Identifizierten stehe im Verdacht, sich an Ausschreitungen am Rande der Demonstration "G-20 not welcome" beteiligt zu haben. Bei denen waren am 8. Juli 2017 sechs Polizisten verletzt worden. Seit Beginn der Öffentlichkeitsfahndung seien mehr als 250 Hinweise eingegangen, sagte eine Polizeisprecherin. Zum G-20-Gipfel war es zwischen Polizei und Autonomen zu Straßenschlachten gekommen.
Einige Verdächtige mussten sich bereits vor Gericht verantworten. Wegen eines Flaschenwurfs verurteilte das Amtsgericht Hamburg einen Mann zu dreieinhalb Jahren Haft. Ein 21-Jähriger, der mit einer Flasche einen Polizisten leicht verletzte, muss für zwei Jahre und sieben Monate ins Gefängnis.
Eines der Fahndungsfotos zeigte eine Minderjährige
An dem Vorgehen, die Verdächtigen öffentlich zu suchen, gab es auch Kritik. Eine der identifizierten Personen ist eine 17-jährige Jugendliche. Für Minderjährige sieht das Jugendstrafrecht einen besonderen Schutz vor. Aber die Bild-Zeitung veröffentlichte das Fahndungsfoto der jungen Frau auf der Titelseite und nannte sie "Krawall-Barbie".
Die Polizei wehrte sich gegen den Vorwurf, die Öffentlichkeitsfahndung sei unverhältnismäßig. In allen Fällen gehe um Straftaten von erheblicher Bedeutung, für die Mindeststrafen von sechs Monaten beziehungsweise einem Jahr vorgesehen seien, hieß es in einer Antwort des Hamburger Senats auf eine Anfrage der Linksfraktion im Dezember. Die Maßnahmen seien von insgesamt neun Richtern genehmigt worden.
Nach 87 weiteren unbekannten Tatverdächtigen fahndet die Sonderkommission "Schwarzer Block" noch immer öffentlich. Bislang hat die Soko keinen der Gesuchten aus den Tatkomplexen Rondenbarg (25 Tatverdächtige) und Elbchaussee (fünf Verdächtige) identifizieren können. In der Straße Rondenbarg in Hamburg-Bahrenfeld hatte nach Polizeiangaben eine größere Gruppe Vermummter Beamte mit Steinen und Böllern beworfen.
Die Bilder identifizierter Verdächtiger würden aus der Fahndung genommen, erklärte eine Polizeisprecherin. Nach Angaben der Linksfraktion in der Hamburger Bürgerschaft sind die Fotos jedoch weiterhin im Internet zu finden. Fraktionschefin Cansu Özdemir und die Abgeordnete Christiane Schneider forderten den Senat in einer Kleinen Anfrage auf, dagegen vorzugehen.