Die Botschaften an die mächtigsten Politiker der Welt sind unmissverständlich. "Money can't buy a new planet", schreiben zwei junge Frauen mit Pinseln auf ein Plakat; anderswo ist der Slogan "Zuhören statt Abhören" zu lesen. Etwa 50 Aktivisten knien bei Sonnenschein auf einem Bürgersteig an der Hamburger Binnenalster und malen Banner für die große "G20-Protestwelle", die das Gipfeltreffen der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer kritisch begleiten will.
"Bunt, friedlich, kreativ und solidarisch, so sollen unsere Proteste sein", erklärt Veronika Wallner, die Sprecherin des bundesweiten Bündnisses. In 40 Städten wurden am Samstag Schilder gemalt, die am 2. Juli bei einem Bannermeer zu sehen sein werden - parallel zum Protestmarsch findet eine große Bootsdemo auf der Binnenalster statt. Ganz bewusst wird am Sonntag vor dem Gipfeltermin am 7. und 8. Juli demonstriert, sagt Uwe Hiksch von den Naturfreunden Berlin: "Wir wollen vorab Bilder setzen und die Berichterstattung prägen." Diese Strategie habe 2015 vor dem G-7-Gipfel in Elmau gut funktioniert, als 40 000 in München gegen das Freihandelsabkommen TTIP demonstrierten.
Die Organisatoren rechnen mit Zehntausenden Teilnehmern, die in Bussen aus dem ganzen Land anreisen. Für alle, von Familien bis zu Senioren, soll Raum sein - zu diesem Zeitpunkt hat sich die Hansestadt auch noch nicht in eine Hochsicherheitszone verwandelt. Auch Wallner betont, wie wichtig konkrete Ideen sind: "Die Politiker sollen sehen, was sich die Bevölkerung wünscht." Dass neben Freihandel, Globalisierung und der wachsenden sozialen Ungleichheit der Klimawandel im Fokus steht, liegt an jenem Mann, der im Juli erstmals Deutschland besucht: Donald Trump.
Dass der US-Präsident im Alleingang aus dem Pariser Klimaabkommen ausgestiegen ist, sorgt weltweit für Entsetzen - und hat Folgen. "Trump mobilisiert sehr stark", bestätigt Sprecherin Wallner. "You can't trump climate" steht auf einem der Banner, ein anderes verkündet wenig subtil: "Truck Fump." Doch Trump ist bei weitem nicht der einzige Gipfel-Gast, der polarisiert: Gleiches gilt für die Präsidenten Wladimir Putin (Trump wird ihn in Hamburg erstmals unter vier Augen treffen) und Recep Tayyip Erdoğan, gegen den Tausende Kurden und kritische Türken demonstrieren werden. Das Unbehagen in Hamburg über die autokratischen Gäste bündelt dieses Banner: "Lasst es nicht länger zu, dass dumme Leute die Welt regieren! #Trump #Erdogan #Putin"
Merkel wünschte sich Hamburg als Gipfelort
Eines ist gewiss: Hamburg wird spätestens in drei Wochen weltweit im Rampenlicht stehen. Der ortsansässige Spiegel kürt die Hansestadt in seiner aktuellen Titelgeschichte zur "Hauptstadt Hamburg" (die Eröffnung der Elbphilharmonie ist ein weiterer Grund), doch viele der knapp zwei Millionen Einwohner hätten sehr gern auf den Riesentrubel rund um den G-20-Gipfel verzichtet. Es war ein Wunsch von Bundeskanzlerin Angela Merkel persönlich, das Treffen der 19 Staats- und Regierungschefs (die Europäische Union ist das 20. Mitglied) in Hamburg abzuhalten - und Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) hofft darauf, seine Stadt weltweit bekannter zu machen.
Der Polizei und den Sicherheitskräften bereitet es Sorgen, dass sich die Messehallen als Tagungsort in der Nähe des Schanzenviertels und der "Roten Flora", dem Zentrum der linksextremen Szene Hamburgs, befinden. Laut Spiegel rechnet die Innenbehörde von 7000 bis 8000 gewaltbereiten Gipfelgegnern, die auch aus Großbritannien, Italien, Griechenland oder der Schweiz anreisen werden. Innensenator Andy Grote (SPD) fürchtet, dass "von außen Gewalt eingetragen" werde.
Die Trennlinie zwischen den Protestbewegungen ist recht simpel: Anders als die Autonomen und die Mitglieder des "schwarzen Blocks" stellen die Träger der "Protestwelle" das Treffen der G-20-Vertreter nicht als solches in Frage; zudem lehnen sie jegliche Gewalt strikt ab. "Es ist das Grundprinzip der Demokratie, dass man sich austauscht", sagt Mitorganisator Hiksch und Sprecherin Wallner betont: "Ein globales Problem wie Klimawandel lässt sich nur lösen, wenn möglichst viele miteinander reden." Wichtig sei aber auch, den Druck auf Bundeskanzlerin Merkel auszuüben, so dass die deutsche Klimapolitik noch ambitionierter werde.